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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Vorwurf zu befreien, dessen Qual durch ihre weiche Natur übermäßig gesteigert wurde, ergriff sie Partei für die Schuldige; sie beschwichtigte den Zorn des Vaters, dem sie und Renée gerade durch ihre übertriebene Vorsicht die furchtbare Wahrheit verraten hatten; in der Angst ihrer liebevollen Besorgtheit entwarf sie jenen sonderbaren Heiratsplan, der ihrer Ansicht nach alles in Ordnung bringen, den Vater versöhnen und Renée wieder zu einer anständigen Frau machen mußte, dessen beschämende Seite sie aber ebensowenig sehen wollte wie seine verhängnisvollen Folgen.
    Niemals hat man erfahren, wie Frau Sidonie dies glänzende Geschäft aufspürte. Die Familienehre der Bérauds teilte in ihrem Korb den Platz mit den Wechselprotesten aller Pariser Straßendirnen. Kaum hatte sie von der Geschichte gehört, als sie auch schon dem Hause Béraud ihren Bruder, dessen Frau im Sterben lag, geradezu aufdrängte. Tante Elisabeth fühlte sich schließlich dieser so sanften, so bescheidenen Dame, die in ihrer Aufopferung für die unglückliche Renée so weit ging, ihr in der eigenen Familie einen Gatten zu wählen, zu Dank verpflichtet. Die erste Zusammenkunft zwischen der Tante und Saccard fand im Zwischenstock der Rue du FaubourgPoissonnière statt. Der Beamte, der durch den Torweg in der Rue Papillon gekommen war, begriff, als er Frau Aubertot vom Laden her die kleine Treppe heraufsteigen sah, den sinnreichen Mechanismus der beiden Eingänge. Er benahm sich durchaus taktvoll und schicklich. Zwar behandelte er die Heirat rein geschäftsmäßig, doch wie ein Mann von Welt, der etwa seine Spielschulden regelt. Tante Elisabeth war viel aufgeregter als er; sie stotterte, sie wagte nicht, von den hunderttausend Francs zu sprechen, die sie zugesagt hatte.
    Saccard schnitt als erster die Geldfrage an; er tat es mit der Miene eines Advokaten, der die Sache seines Klienten verficht; seiner Ansicht nach waren hunderttausend Francs eine lächerliche Mitgift für den Gatten von Fräulein Renée. Er unterstrich dabei das Wort »Fräulein« ein wenig. Herr Béraud Du Châtel würde einen armen Schwiegersohn noch weniger achten; er würde ihn beschuldigen, seine Tochter um ihres Vermögens willen verführt zu haben, würde vielleicht sogar darauf verfallen, heimlich eine Untersuchung einzuleiten. Frau Aubertot, durch die ruhigen und höflichen Worte Saccards erschreckt und verstört, verlor den Kopf, und als Saccard erklärte, er würde niemals wagen, mit weniger als zweihunderttausend Francs um Renées Hand anzuhalten, denn er wolle keinesfalls für einen nichtswürdigen Mitgiftjäger gehalten werden, zeigte sie sich bereit, die Summe zu verdoppeln. Die gute Frau ging ganz verwirrt fort, wußte sie doch nicht, was sie von einem Burschen halten sollte, der solche Entrüstung an den Tag legte und dabei auf einen derartigen Handel einging.
    Dieser ersten Zusammenkunft folgte ein offizieller Besuch, den Tante Elisabeth Aristide Saccard in seiner Wohnung in der Rue Payenne abstattete. Diesmal kam sie im Namen von Herrn Béraud. Der ehemalige Magistratsbeamte hatte sich geweigert, »diesem Menschen«, wie er den Verführer seiner Tochter bezeichnete, zu begegnen, solange dieser nicht mit Renée verheiratet sei, der er übrigens ebenfalls den Zutritt zu seinen Räumen verboten hatte. Frau Aubertot erhielt Verhandlungsvollmacht. Sie schien hocherfreut über die luxuriöse Einrichtung des Beamten, denn sie hatte befürchtet, der Bruder dieser schäbig gekleideten Frau Sidonie sei ein armer Teufel. Er empfing sie in einem erlesenen Hausanzug. Es war die Zeit, als die Abenteurer des 2. Dezembers, nachdem sie ihre Schulden beglichen hatten, ihre ausgetretenen Stiefel, ihre an den Nähten blank gewordenen Mäntel zum Abfall warfen, sich täglich rasierten und vornehme Herren wurden. Saccard gehörte endlich zu ihnen, er pflegte seine Nägel, benutzte nur noch den besten Puder und unübertreffliche Essenzen. Er wurde galant, wechselte seine Taktik, zeigte sich unglaublich uneigennützig. Als die alte Dame den Kontrakt erwähnte, machte er eine Bewegung, als läge ihm sehr wenig daran. Dabei blätterte er seit acht Tagen im Gesetzbuch und erwog diese schwerwiegende Angelegenheit, von der künftig seine Bewegungsfreiheit als Geschäftemacher abhing, nach allen Richtungen.
    »Um Gottes willen«, sagte er, »hören wir auf mit dieser peinlichen Geldfrage … Ich schlage vor, Fräulein Renée bleibt die Verfügung über ihr Vermögen wie mir die über

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