Die Beute

nicht ablenken lassen«, sagte sie. Diesmal nicht. Ich werde genau das, was ich von ihm will, im Auge behalten.
    »Was hältst du von dem neuen Spiel?«
    »Es ist nicht fair«, sagte Jenny prompt. »Es ist nicht sportlich «, fügte sie hinzu, um es mit Julians Worten auszudrücken. »Es ist überhaupt kein Spiel, wenn wir keine Chance haben, deinen Stützpunkt zu finden.«
    »Und du denkst, ihr habt keine Chance?«
    »Nicht ohne weitere Informationen.«
    Julian warf den Kopf in den Nacken und lachte. Sein Haar glänzte wie weiße Jade. »Du willst einen Hinweis?« Er sah sie mit diesen verschleierten, flüssigen blauen Augen an.
    »Ja«, antwortete Jenny energisch. »Und du würdest mir auch einen geben, wenn du wolltest, dass dies ein echter Wettbewerb ist. Aber wahrscheinlich willst du das gar nicht.«
    Er schnalzte mit der Zunge. »Du denkst wirklich, ich bin eine Bestie, nicht wahr? Aber so schlimm bin ich gar nicht. Wenn ich wollte, könnte ich das Spiel so manipulieren, dass ich nicht verlieren kann. Zum Beispiel …« Er nahm den Wolf wieder in die Hand und hielt ihn bedächtig über eine andere Straße. Jenny erkannte das
hellgraue Holzhaus und die winzige flachsblonde Gestalt davor.
    »Cam!« Sie sah Julian an. »Das würdest du nicht tun! Du hast gesagt …«
    »Ich habe gesagt, ich würde dieses Spiel auf die ursprünglichen Spieler beschränken – und das tue ich auch. Ich zeige dir nur, was ich tun könnte. Du siehst also, dass ich gar nicht so schlimm bin.«
    »Gordie Wilson war kein Spieler.«
    »Er hat seine Nase in Dinge gesteckt, die ihn nichts angingen.«
    »Und was ist mit P.C. und Slug?«
    Julians Lächeln war eisig. »Oh ja, sie waren Spieler. Sie haben ihr eigenes Spiel gespielt – und verloren.«
    Jetzt weiß ich also Bescheid, dachte Jenny. Ich nehme an, ich werde es Angela erzählen müssen – falls ich das hier überlebe.
    Sie schaute auf die winzige Gestalt von Cam hinunter, als ihr ein anderer Gedanke kam. Sie blickte auf.
    »Warst du derjenige, der diese Kinder dazu gebracht hat, Lämmer und Monster zu spielen?«, fragte sie. »All diese Gewalt – hast du sie beeinflusst?«
    »Ich?« Er lachte wieder dieses schwarze, samtige Lachen. »Oh, Jenny – sie brauchen mich nicht. Kinder sind von Natur aus so. Kinderspiele sind so. Ist dir das noch nicht aufgefallen?«
    Es war Jenny aufgefallen, aber sie sagte nichts. Sie wandte sich ab.

    »Kämpfen und Jagen – das ist alles. Das ist das Leben, Jenny – niemand kann ihm entfliehen.«
    Er stand jetzt direkt hinter ihr.
    »Warum sollten wir auch? Die Jagd ist aufregend, Jenny. Sie bringt das Blut in Wallung. Sie lässt dich frösteln …«
    Jenny machte einen Schritt nach vorn. Ihr Blutkreislauf sackte zusammen. Seine Stimme ließ sie schaudern, so fremdartig und quälend wie die Melodie, die sie auf dem Hotelbalkon beim Schulball gehört hatte.
    Er folgte ihr wie auf Katzenpfoten. Ich werde mich nicht umdrehen, dachte sie. Auf keinen Fall.
    »Liebe und Tod sind alles, Jenny. Gefahr ist der beste Teil des Spiels. Ich dachte, das wüsstest du.«
    Ein Teil von ihr wusste das tatsächlich. Der wilde Teil, den er hervorgerufen hatte. Jener Teil, dachte Jenny plötzlich, der immer ihm gehören wird.
    »Und ich dachte, du würdest mir einen Hinweis geben« , sagte sie.
    »Natürlich, wenn du willst – aber es gibt nichts umsonst.«
    Jenny nickte, ohne sich umzudrehen. Sie hatte nichts anderes erwartet. »Gib mir zuerst den Hinweis«, forderte sie energisch.
    »Du kannst deine Freunde hinter einer Tür finden.«
    Jenny runzelte die Stirn. »Was für eine Tür? Habe ich sie schon gesehen?«
    »Ja.«

    »Bin ich hindurchgegangen?«
    »Ja – und nein.«
    »Was für eine Antwort soll das sein?«, fragte sie und drehte sich wütend um. Wenn sie zornig war, konnte sie sich ihm stellen.
    »Sie ist so klar wie schwarz und weiß – wenn du weißt, wie man es richtig betrachtet. Und jetzt«, fügte er hinzu, »der Preis.« Er trat vor sie hin und neigte den Kopf.
    Es kostete sie all ihre Selbstbeherrschung, starr und teilnahmslos in seinen Armen zu bleiben. Schließlich schnappte sie nach Luft und zog sich zurück.
    »Oh, Jenny. Lass uns aufhören zu spielen – wir brauchen dieses Spiel nicht länger. Du kannst deine Freunde zurückhaben – du willst doch Dee zurückhaben, oder?«
    »Ich werde sie zurückbekommen«, sagte Jenny zittrig. Sie spürte noch immer eine elektrische Spannung überall dort, wo Julian sie berührt hatte. »Ich