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Die Beute

Die Beute

Titel: Die Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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gerade glücklich sein, wenn er merkte, dass es verschwunden war – und jemand die Hintertür aufgehebelt hatte.
    Aber Tom würde davon nichts mehr mitbekommen.
    Darüber machte er sich keine Illusionen. Wenn er recht hatte, führte kein Weg zurück.
    Natürlich konnte es gut sein, dass Julians Stützpunkt überhaupt nicht hier oben war. Schließlich gab es keine Türen auf diesem Hang, und Julian hatte Jenny erklärt, dass die anderen hinter einer Tür wären. Aber dies war eindeutig einer der Orte, an denen der Wolf und die Schlange sich herumtrieben – und Tom schätzte, dass sie sich die Chance nicht entgehen lassen würden, ihn anzugreifen.
    Wenn er auch nur einen der beiden erwischte, würden Jennys Chancen steigen. Wenn er sie beide erwischte, würde sie es vielleicht tatsächlich schaffen.
    Die Idee war ihm zum ersten Mal in jener Nacht gekommen, in der Audrey verschwunden war. Alle hatten in Michaels Wohnzimmer gesessen und geredet. Michael und Dee hatten gesagt, die einzige Möglichkeit,
das Spiel zu gewinnen, bestehe darin, den Stützpunkt zu finden, und Tom hatte gesagt: »Vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit«  – und dann hatte er geschwiegen. Diese andere Möglichkeit, an die er gedacht hatte, war zu gefährlich. Jedenfalls für Jenny. Er wollte nicht, dass sie das tat.
    Während der vergangenen Tage war er seine Idee immer wieder durchgegangen, hatte mit sich gerungen, ob er Dee davon erzählen sollte. Sie würde mitmachen, das wusste er. Aber das bedeutete auch, Jenny praktisch schutzlos zurückzulassen. Das war das grundlegende Problem an dieser Idee – wenn Tom Jenny verließ, machte er sie verletzbar.
    Doch dann war Dee verschwunden – und das war von entscheidender Bedeutung gewesen. Schon bald würde Jenny niemanden mehr haben, der sie beschützte … und Julian konnte durch ihre Träume kriechen.
    Das hatte schließlich den Ausschlag gegeben. Er konnte Julian nicht von der Wohnung fernhalten – also nutzte er Jenny dort nichts. Das Einzige, was er vielleicht für sie tun konnte, war, dafür zu sorgen, dass sie einen Feind weniger hatte, gegen den sie kämpfen musste.
    Ich wette, dass sowohl der Wolf als auch die Schlange nötig waren, um an Dee heranzukommen, dachte er und stapfte durch das feuchte, von Pfützen bedeckte Flussbett. Mit einem von ihnen konnte Dee es allein aufnehmen – aber nicht mit beiden.
    Vielleicht hatte auch Jenny eine Chance gegen einen.
Oder vielleicht konnte Tom beide erwischen, bevor Julian ihn tötete. Aber dafür brauchte er wirklich Glück.
    Keiner der anderen hatte auch nur angedeutet, dass sie sich die Tiere vorknöpfen könnten. Es war ihnen einfach nicht in den Sinn gekommen. Sie alle betrachteten diese Kreaturen nur als Phantome – was auch kein Wunder war. Der Schattenwolf, den Tom am Strand gesehen hatte, sah aus wie ein lebendiger Albtraum, ein leuchtendes Gespenst. Aber er war aus Fleisch und Blut.
    Genau das hatte Tom bereits bei seinem ersten Ausflug hierher herausgefunden. Das schwarze, teerähnliche Zeug, das er von dem Fels abgekratzt hatte, war Blut. Gordie musste eins der Tiere verwundet haben, bevor es ihn erwischte. Die Kreaturen konnten bluten – den Beweis dafür hatte Tom am Strand gesehen. Er hatte den Wolf geschnitten und sein Messer war anschließend dunkel gewesen.
    Sie konnten bluten, und sie ließen sichtbare Spuren zurück, wie die Kratzer auf Audreys Auto. Sie waren von einer Art materiellen Existenz. Vielleicht konnten sie auch sterben.
    Tom würde es herausfinden.
    Regen spritzte ihm ins Gesicht. Kalte, peitschende Tropfen – kein üblicher Frühlingsschauer. Die Rohrkolben im Flussbett schwankten und tropften. Alles war grau.
    Er kam der Stelle immer näher. Tom kam von Süden,
von der windgeschützten Seite der drei Zypressen. Vielleicht konnte er sie überraschen.
    In der grauen Kälte tröstete er sich mit einem Bild von Jenny. Jenny war für ihn Wärme und Sonnenlicht: Ihr goldenes Haar, das leuchtend im Wind flatterte; Jenny im Sommer, in Sicherheit, glücklich und lachend. Tom wollte unbedingt, dass Jenny einen weiteren Sommer erlebte. In dieser Welt, nicht in der Welt aus Eis und Schatten.
    Selbst wenn er nicht mehr da war, um den Sommer mit ihr zu verbringen.
    Vor ihm bewegte sich etwas. Tom blinzelte in den Regen, dann lächelte er entschlossen. Da war er. Schwarz vor dem grauen Hintergrund, unglaublich groß und leuchtend, umgeben von blauem fluoreszierenden Licht. Eine Kreatur, die aussah wie

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