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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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»aber ich begreife ja, daß sie nicht auf seinem Weg liegt. Was erwartet ihr euch denn von einer solchen Reise?«
    »Ich brauche Klarheit über ein paar Entscheidungen und hoffe, daß mir die Gegenwart des Heiligen Vaters dazu verhilft«, meinte Gerswind.
    »Und ich möchte Buße tun«, sagte Pippin. »Vielleicht könnten mich ein paar Tropfen des vom Heiligen Vater gesegneten Wassers reinigen.«
    »Ein paar Tropfen«, wiederholte der Abt versonnen und dachte voller Dankbarkeit daran, daß ihm die paar Tropfen roten Weines, die er allabendlich aus dem dafür bestimmten Tuch in sein Wasser träufelte, bis der Herr ihm ein Zeichen gab, ihm nicht nur keineswegs schadeten, sondern ihn sogar zu kräftigen schienen. Jetzt wartete er auf ein weiteres Zeichen des Herrn. Vielleicht würde ihm dieser auch ein winziges Stück Wildbret zugestehen?
    »Geht auf die Reise, meine Kinder«, sagte er, »und nehmt alle jene mit, die der Kraft des Herrn bedürfen.«
    Er schlug das Kreuzzeichen über ihnen und ließ sie gehen.
    Eine noch größere Volksmenge als in den kleineren Orten hatte sich in Trier eingefunden, um den Segen des Papstes entgegenzunehmen.
    »Geh schon!« Die Frau, die Hruodhaid im Wald aufgelesen hatte, gab ihr einen Schubs. »Oder willst du für alle Zeiten der Sprache beraubt sein?«
    Hruodhaid schüttelte den Kopf. Zaghaft blickte sie auf das hohe Podest vor der großen Kirche und auf den ehrfurchtgebietenden Mann mit dem steilen Hut und den vernarbten Wunden unterhalb der Augen. Vor ihm wartete eine lange Reihe von Menschen darauf, gesegnet zu werden.
    Gerade ging ein Raunen durch die Menge, denn eine junge Frau, die sich dem Papst auf Krücken genähert hatte, warf diese plötzlich zur Seite und ging zwar schwankend, aber ohne Hilfe zur Treppe auf der anderen Seite des Gerüsts. Applaus brandete auf. Fast alle fielen auf die Knie und senkten betend das Haupt, weshalb ihnen auch entging, daß die junge Frau die Treppe hinunterstürzte und reglos unten liegenblieb. Eilig wurde sie von ein paar Leuten am Fuß der Treppe fortgetragen.
    Hruodhaid hatte nichts zu verlieren. Sie erhob sich von den Knien und ließ sich von ihren Begleitern zum Podest führen. Es ging nur sehr langsam voran. Irgendwann war sie an der Reihe.
    »Sie ist stumm«, sagte ihre Begleiterin. Ein Priester, der neben dem Papststuhl stand, übersetzte diese Worte. Hruodhaid kniete sich nieder und hob die Lider. Das grauenhaft entstellte Gesicht des Papstes entsetzte sie derart, daß sie rasch zur Seite in die gesichtslose Menschenmasse schaute. Und da blieb ihr Blick an etwas Weißblondem hängen. Der Papst legte ihr die Hand aufs Haupt. Doch Hruodhaid spürte es nicht einmal.
    »Gerswind!« rief sie. »Gerswind!« Und dann schlug sie sich vor Staunen die Hand vor den Mund. Die Worte hatten ihr überhaupt keine Mühe bereitet, waren von selbst aus ihrer Kehle geflogen.
    »Gerswind! Gerswind!«
    Der Übersetzer konnte mit diesen Lauten zwar nichts anfangen, aber offensichtlich war die Stummheit besiegt. Der Papst nickte mit mildem Lächeln.
    »Gott ist mit dir!« rief er und hielt Hruodhaid seine Hand mit dem Ring hin. Sie starrte den Mann mit dem gezeichneten Gesicht an, als belästige er sie, riß sich los und rannte zur anderen Treppe.
    »Geh nicht weg, Gerswind, warte auf mich!« Es war wahrlich ein Wunder, wie mühelos und kraftvoll ihr die Worte von den Lippen strömten!
    Sie stieß ihre Begleiterin, die ihr zur Treppe gefolgt war, zur Seite. Leichten Fußes hüpfte Hruodhaid die grobgezimmerten Stufen hinunter.
    Doch es gelang ihr nicht, sich zu ihrer Freundin durchzukämpfen. Die Menge vor dem Podest riß sich darum, das geheilte Mädchen zu berühren, ein Stück ihres Kleides zu küssen und selbst die Hände dort hinzulegen, wo der Papst sein heilendes Werk verrichtet hatte.
    Hruodhaid erstarrte vor Schreck, als sich all diese wildfremden Menschen auf sie stürzten, sie anfaßten, begafften und mit Fragen bestürmten.
    »Laßt sie los!«
    Die Menge wich erschrocken zurück, als sie des trotz seines Buckels hochgewachsenen Mönchs mit den funkelnden Augen in einem Engelsantlitz ansichtig wurde. Gerswind, die sich hinter Pippin zu Hruodhaid vorgedrängt hatte, nahm die Freundin in die Arme.
    »Was machst du hier? Sind die anderen auch da?«
    Hruodhaid schien die Stimme wieder verloren zu haben. Sie schüttelte nur den Kopf, als Gerswind und Pippin sie aus dem Gewühl herausführten.
    Erst auf dem Weg nach Prüm fand Hruodhaid die Sprache

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