Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
ihrer Mutmaßung bestätigt, als sich der Mann tief vor ihr verneigte.
    »Welche Ehre, hohe Frau«, flüsterte er.
    »Ja, ja«, unterbrach ihn Gerswind ungeduldig. »Habt Ihr Euch wirklich nicht verletzt?«
    Der Mann schüttelte den Kopf, blieb aber stumm vor ihr stehen.
    »Gehe hin in Frieden«, beschied ihm Gerswind und deutete zum Kloster. Als sie ihn davonhumpeln sah, regte sich ihr Gewissen. Vielleicht war der Mann zu schwachköpfig, um zu merken, daß er sich doch weh getan hatte.
    Rasch kehrte sie ins Haus zurück und setzte sich wieder an den Tisch. Hruodhaid deutete stumm in die Ecke.
    »Sag mir, was dort ist«, forderte Gerswind sie auf.
    »Das Wachstäfelchen«, sagte Hruodhaid ohne Stolpern. »Ich habe es auf die Stoffe geworfen. Damit es nicht bricht.«
    Gerswind griff hinter sich.
    Hruodhaid hatte sich mit den Minuskeln Mühe gegeben, doch Gerswind mußte die fünf Worte dreimal lesen, ehe sie die Ungeheuerlichkeit aufgenommen hatte: »Äbtissin Gisela ist meine Mutter.«
    Bestürzt sah sie Hruodhaid an und fragte: »König Karl ist also nicht dein Vater?«
    »Doch«, flüsterte Hruodhaid und begann zu weinen.
    König Karl hatte seinen Sohn Karl abermals falsch eingeschätzt.
    »Ich habe Gerswinds Mutter gehen lassen«, sagte der junge Mann trotzig, als er seinem Vater in Paderborn gegenübertrat. »Eine sächsische Geisel am Hof reicht, finde ich.«
    »Du hast sie gehen lassen!« Karl schäumte. »Obwohl uns inzwischen bestens bekannt ist, daß Geva diese verrückten Aufständischen eint! Und von den Nordmannen Unterstützung eingeholt hat! Bei den heidnischen Abodriten hat sie sich in Sicherheit geglaubt, ha, die waren bereit, sie mir auszuliefern, und mein eigener Sohn … Wohin hast du sie denn gehen lassen?«
    Carolino war einer Antwort enthoben, da in diesem Augenblick Angilbert mit hochrotem Gesicht in den Raum stürzte.
    »Du mußt sofort kommen, Karl. Campulus und Paschalis sind hier – und der Papst wird in wenigen Stunden eintreffen!«
    Er rang die Hände. »Was sollen wir nur tun!«
    Noch nie hatte Karl seinen Freund so verzweifelt erlebt. Er kannte ihn nicht einmal im Zustand der Aufregung.
    »Na, anhören werden wir sie, was sonst!« Er ging zur Tür, wandte sich noch einmal um und sagte drohend zu seinem Sohn: »Wir sprechen uns noch!«
    Die beiden Verschwörer, die den Papst angegriffen hatten, saßen wie alte Freunde des Hauses, die sie ja schließlich auch waren, im Beratungszimmer des Königs vor ihren Bechern mit Wein.
    »Ich lasse euch etwas zu essen herrichten«, meinte Karl zur Begrüßung, aber Paschalis schüttelte den Kopf, griff unter sich und warf ein paar Rollen Pergament auf den Tisch.
    »Wir brauchen Platz für die Beweise.«
    Angilbert und Karl setzten sich den beiden gegenüber. Was Paschalis und Campulus zu berichten hatten, war ungeheuerlich und bestätigte nicht nur die Gerüchte, die über Leo III. in Umlauf waren, sondern übertrafen sie bei weitem. Der Pontifex war ein häufig gesehener Gast in den Häusern der Freimädchen; er hatte mehrere Gemahlinnen hochgestellter Römer bedrängt, was von diesen bezeugt wurde. Zwei andere verheiratete Frauen hatten zugegeben, den Papst in ihren Schlafgemächern empfangen zu haben; Abschriften von Briefen und in einem Fall sogar ein Original belegten, daß er für die Erhebung in bestimmte Ämter große Summen Geldes nicht nur angenommen, sondern sogar gefordert hatte; für mindestens vier Meineide lagen Beweise vor, ebenso für Anordnungen, bestimmte Anhänger seines Vorgängers Hadrian zu mißhandeln, und vieles andere mehr.
    Karl stützte den Kopf auf die Hände, während die beiden Männer ihre Anschuldigungen vorbrachten und Angilbert die Belege prüfte.
    »Du bist der König der Franken, der höchste Richter der Christenheit«, schloß Paschalis den Bericht. »Nur dir steht es zu, Leo den Prozeß zu machen.«
    »Der Heilige Vater ist der irdischen Gerichtsbarkeit entzogen«, sagte Karl. »Gott wird ihn für seine Sünden strafen. Uns stellt sich allerdings die Frage, ob die Kirche gefährdeter ist, wenn ihr dieser Mann weiterhin vorsteht oder wenn wir zulassen, daß ein Inhaber des Petristuhls aus dem Amt gejagt werden kann.«
    Angilbert verstand, worauf Karl hinauswollte. »Wir dürfen die Angelegenheit nicht übers Knie brechen«, sagte er. »Ich schlage vor, daß wir wie geplant den Heiligen Vater höchst ehrenvoll empfangen – inmitten eines dreifachen Kreises –, uns anhören, was er zu seiner Verteidigung

Weitere Kostenlose Bücher