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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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seine Orgien feierte und Kirchenämter verkaufte.
    Gerswind hatte Karl aus seiner Trauer wachgerüttelt, als sie ihn auf die vielen Mißstände im eigenen Reich aufmerksam gemacht hatte. Nachdem der Byzantiner abgereist war, begab sich der Kaiser wieder mit vollem Einsatz an die Arbeit.
    Als erstes befahl er, seine fünf Enkelinnen Adalheid, Atula, Gundrada, Berthaid und Theodrada sowie deren Halbbruder Bernhard an seinen Hof nach Aachen zu bringen. Die Mädchen sollten mit seinen jüngeren Töchtern erzogen werden, und den jungen Mann wollte er sich genauer ansehen.
    Karl führte eine neue Silberwährung ein und verfügte, daß dieser schwer zu fälschende Denar mit seinem vorgeschriebenen Gewicht und dem Porträt des Kaisers nur an ganz bestimmten wenigen Orten geschlagen und in Umlauf gebracht werden durfte. Wer mit falschen Münzen handelte, dem sollte die rechte Hand abgehackt werden. Um die Gefahr der Hehlerei zu verringern, erließ er ein Gesetz, wonach goldene und silberne Gefäße, Edelsteine, Sklaven und Pferde überhaupt erst angeboten werden durften, wenn Nachweise über ihre Herkunft vorlagen. Im Dunkel der Nacht war jegliche Geschäftemacherei untersagt, es sei denn, es handele sich um Futter oder Lebensmittel. Zusätzlich setzte der Kaiser selbst Preise für Pelzwaren sowie für fertige Röcke und Mäntel fest und sandte seinen Grafen erneut Ermahnungen, ihre Hörigen gut zu behandeln.
    Gerswind beobachtete beglückt, wie der geliebte Mann endlich wieder das Zepter in die Hand nahm und im Reich und am Hof selbst für bessere Zustände sorgte. Doch die Schicksalsschläge hatten bei ihm durchaus ihre Spuren hinterlassen. Der Kaiser ging nicht mehr ganz so aufrecht wie früher, und wenn ihm seine Gicht zusetzte, benötigte er manchmal sogar einen Stock. Sein Haar war inzwischen schlohweiß geworden und sein markantes Gesicht von tiefen Furchen geprägt.
    Sie beschwor ihn, auf die Ärzte zu hören und von seinem Lieblingsgericht, dem gebratenen Fleisch, abzulassen, aber da stieß sie auf taube Ohren. Doch ihr zuliebe legte er ein wenig häufiger die verhaßten Fastentage ein.
    Der Zeitpunkt der Geburt rückte näher. Gerswind tat alles, was ihr möglich war, um sicherzugehen, daß ihr Kind gesund zur Welt kam. Sie besuchte abwechselnd die Pfalzkapelle und die Stätte der Macht und flehte wie in ihrer Kindheit zu Gott, allen Göttern und Heiligen, das Leben in ihr zu beschützen.
    Ihre Gebete wurden erhört. Im Spätherbst des Jahres 810 kam ihre Tochter auf die Welt.
    »Es tut mir so leid«, flüsterte sie, als Karl an ihr Bett trat. »Ich weiß, du hättest lieber einen Sohn gehabt.«
    »Unsinn!« rief Karl fröhlich. »Söhne bringen nur Ärger, wie dir bestens bekannt sein dürfte. Meine Töchter hingegen machen mir nur Freude. Und über diese kleine Tochter bin ich ganz besonders glücklich.«
    Gerswind warf Judith, die unablässig neben ihr gewacht hatte, einen bittenden Blick zu. Das Mädchen nickte und schlich leise aus dem Zimmer. Tante und Nichte hatten im Verlauf ihrer gemeinsamen sechs Jahre Wege gefunden, sich ohne Worte zu verständigen.
    Karl nahm das kleine Bündel vorsichtig auf, drückte dem Kind einen Kuß auf die Stirn und betrachtete es so strahlend, daß Gerswind nicht mehr an seiner Freude zweifelte. Auch wenn kaum noch Hoffnung auf einen neuen würdigen Thronanwärter bestand. Jetzt würde sich Karl tatsächlich zwischen seinen beiden Söhnen entscheiden müssen. Seinen beiden Söhnen? Er hatte doch immer noch drei …
    »Wie sollen wir sie nennen?«
    »Wie bitte?« Gerswind fuhr aus ihren Gedanken auf. Seltsam, daß ich mich jetzt mit dem Geschick des Reichs beschäftige und er sich mit einem Namen für unsere Tochter, dachte sie.
    »Es soll ein starker Name sein«, bemerkte sie schnell.
    »Wie Gerswind, der geschwinde Speer?« sagte er lachend.
    »Nichts Kriegerisches«, erwiderte sie nachdenklich. »Ein Name, der keinen Zweifel an ihrer vornehmen Abkunft läßt – der fränkischen und der sächsischen …«, fügte sie schnell hinzu.
    »Adel …«, überlegte der Kaiser laut und runzelte nachdenklich die Stirn.
    »… und der ihr gleichzeitig die Botschaft vermittelt, stark und treu zu sein.«
    »… Trud!« rief Karl. »Adeltrud! Treu und stark und von edlem Geschlecht. Was sie ja wahrlich ist, Adeltrud! Meine Tochter!«
    Er küßte sie noch einmal und reichte sie Gerswind mit großer Vorsicht.
    »Guten Tag, Adeltrud«, flüsterte Gerswind. »Ich wünsche dir ein schönes

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