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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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sie empfand es als merkwürdig, daß Ludwig, ohnehin nicht als der Großzügigste bekannt, seinem alles andere als geliebten Bruder tatsächlich ein Geschenk machen wollte.
    Dem Kaiser konnte sie davon keine Mitteilung machen, da sich dieser zur Zeit nicht in Aachen befand, sondern weit im Norden beim fränkischen Stützpunkt Itzehoe, wo er ein Heer gegen den Dänenkönig Göttrik aufgestellt hatte. Göttrik hatte schon zwei Jahre zuvor die mit Karl verbündeten heidnischen Abodriten überfallen, sich danach aber heuchlerisch beim Kaiser dafür entschuldigt. Damit hatte er Zeit gewonnen, sein Danewerk weiter zu verstärken, die künstliche Grenze nach Süden, die aus hohen Erdwällen und Palisaden bestand.
    Vor wenigen Wochen war die Nachricht nach Aachen gedrungen, daß Göttrik mit einer riesigen Flotte in Friesland gelandet sei, dort Brückenköpfe angelegt habe und gar einen Marsch auf Aachen vorbereite. Er freue sich auf eine offene Feldschlacht mit dem Kaiser, ließ er verbreiten. So weit wollte es Karl gar nicht erst kommen lassen, also war er mit dem größten Heer, das er aufbieten konnte, und mit seinem geliebten Abul Abbas an die dänische Grenze gezogen. Gerswind verging fast vor Sorge um den Kaiser. Sie beschloß, wieder einmal Einhard aufzusuchen, bei dem vielleicht endlich Nachrichten aus dem Norden eingetroffen waren.
    Auf dem Weg zur Schreibstube spürte sie einen kleinen Stich im Herz, als sie Adalinde mit deren dreijährigem Sohn Theoderich an der Hand begegnete. Dieses Kind, das Karl nach Gerswinds zweiter Fehlgeburt gezeugt hatte, war der bislang letzte Sproß seiner Beischläferinnen. Natürlich bestand das Frauenhaus noch, aber Gerswind hatte eigentlich geglaubt, daß Karl die Dienste seiner Bewohnerinnen nicht mehr in Anspruch nahm. Adalindes Schwangerschaft hatte diese Hoffnung zunichte gemacht, und die alte Wunde der Eifersucht war wieder aufgebrochen.
    »Gebe ich dir nicht alles, was du brauchst?« hatte sie den Kaiser gefragt und sich dabei bemüht, keinen Vorwurf in ihrer Stimme durchklingen zu lassen.
    »Mehr als das, meine Gerswind, mehr als das«, antwortete er damals.
    »Warum suchst du dann bei anderen die Freuden, die ich dir bereiten kann?«
    »Die suche ich da gar nicht«, hatte er lachend erwidert. »Die Freuden, die du mir bereitest, kannst nur du mir geben. Aber ich stehe bei diesen Frauen im Wort, habe jeder versprochen, mich um sie zu kümmern, und dazu gehört eben auch, daß ich sie in keiner Hinsicht vernachlässige. Mit dir und meiner Liebe zu dir hat das überhaupt nichts zu tun, das solltest du eigentlich schon seit langem wissen!« Er hatte sie dabei fest angeblickt und seufzend hinzugesetzt: »Vielleicht ist es dir ja ein Trost, wenn du weißt, daß meine Besuche bei den Frauen inzwischen in recht großen Abständen erfolgen.«
    Es war ein höchst magerer Trost.
    Aber dann bedachte Gerswind, wie leer das Leben jener Frauen war, die ihre Zeit damit verbrachten, auf die Gunst des Kaisers zu warten, während sie selbst in nahezu alle Bereiche seines Wirkens einbezogen wurde und ihn von sich aus jederzeit aufsuchen konnte. Sie entwickelte ein gewisses Mitleid mit den Beischläferinnen. Und Adalinde sah derzeit höchst unglücklich aus, weshalb sie deren Gruß herzlich erwiderte.
    Adalinde sah sie verständnislos an und schrie: »Es ist so furchtbar!« Dann begann sie laut zu weinen und konnte nicht weitersprechen.
    Gerswind schrak zusammen. Karl! dachte sie voller Entsetzen, es ist ihm etwas zugestoßen!
    »Furchtbar«, wiederholte sie verstört und rannte, so schnell sie konnte, zu dem Flügel, in dem Karls Töchter wohnten und aus dem sie jetzt lautes Geschrei vernahm.
    Es war keine Nachricht aus Itzehoe eingetroffen, aber es wurde augenblicklich eine dorthin gesandt: Rotrud war tot. Die Lieblingstochter des Kaisers und Gerswinds erste Freundin war wie einst Liutgard gänzlich unerwartet an den Folgen einer Erkältung gestorben.
    Als Karl einen Monat später in Aachen eintraf, sah er aus wie ein gebrochener Mann. Der sich sonst so aufrecht haltende Kaiser ging schleppenden Schrittes mit hängenden Schultern durch die Hallen, antwortete einsilbig und mit geistesabwesendem Blick, wenn er etwas gefragt wurde, und verbrachte einen großen Teil seiner Zeit auf- und abgehend in seinem Schlafgemach, wohin er sich auch seine ungewöhnlich kargen Mahle bringen ließ. Karl hatte nicht nur einen Schicksalsschlag zu verwinden: Ein Monat nach Rotrud war auch sein lebenslustiger Sohn

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