Die Beutefrau
daß kein anderer Mensch Zeuge seiner Niederlage geworden war.
So schonend wie möglich brachte er Fastrada in der folgenden Nacht im Bett bei, daß ihm an diesem Tag ein nicht mehr ganz kleines Kind als das seine vorgestellt worden sei und er keinen Zweifel an seiner Vaterschaft habe, auch wenn er sich an die Mutter nicht mehr erinnere. Wäre es zuviel von ihr verlangt, dieses Mädchen als das ihre auszugeben?
»Meine Töchter heißen Theodrada und Hiltrud«, entgegnete sie, nachdem sie sich das genaue Alter des Kindes hatte sagen lassen. Sie rückte ein wenig von ihm ab und fragte scharf: »Bei wem hast du gelegen, als du um mich freitest?«
»In jeder Frau habe ich nur dich gesehen«, beeilte sich Karl zu erwidern. »Also ist sie gewissermaßen auch deine Tochter.«
»Aber sie ist es nicht«, hauchte Fastrada, und damit war das Thema für sie erledigt. Sie schmiegte sich wieder an Karl, streichelte seinen Rücken und setzte hinzu: »Ich werde dir so viele Kinder schenken, wie du nur willst, mein geliebter Gemahl.«
Kundig strichen ihre Hände über seinen Körper und suchten jene Stellen auf, die erfahrungsgemäß bei bestimmten Berührungen sämtliche Gedanken des Königs auslöschten, die über den Augenblick hinausgingen. Befriedigt registrierte sie das begehrliche Flackern in Karls Augen und seinen schneller werdenden Atem. Doch als sie mit dem Rücken der anderen Hand über seine Brust fuhr, schrie Karl plötzlich auf.
»Weib! Willst du mich erdolchen?«
Er riß sich von ihr los und setzte sich auf. Entgeistert blickte Fastrada erst auf das rote Rinnsal, das von seiner Brust lief und sich in der Vertiefung des Nabels sammelte, und dann auf ihre Hand. Hastig zog sie den Diamantring vom Finger und warf ihn in eine Ecke des Gemachs.
»Ich werde ihn neu schleifen lassen«, murmelte sie, »komm, laß mich dich säubern!«
Doch Karl hatte das Blut bereits mit der Bettdecke abgewischt. »Es ist keine tiefe Wunde«, murmelte er, beschämt, daß er sich so hatte gehenlassen. Er erhob sich vom Bett. »Ich habe noch Arbeit zu verrichten«, setzte er hinzu, »und wünsche dir eine gute Nacht.«
Er begann sich anzukleiden.
»Laß mich doch jetzt nicht allein«, flehte Fastrada. »Der böse Ring wird uns nicht mehr stören!« Sie räkelte sich auf dem Bett, aber diesmal wirkte ihr Zauber nicht.
Denn Karl fiel seine Schwester ein, die unter demselben Dach schlief, deren Kammertür für ihn jetzt jedoch genauso unzugänglich war wie derzeit noch ein Ringwall der Awaren. Er mußte über Hruodhaids Schicksal nachdenken und wußte im selben Augenblick, daß er diese Tochter der Liebe unmöglich abweisen konnte. Fastrada würde sich auch an dieses Kind gewöhnen müssen, obwohl sie nie verhehlt hatte, wie unangenehm ihr schon seine anderen Kinder waren. Und was hatte ihm Gisela heute dazu erzählt?
Mittlerweile vollbekleidet, stellte er sich ans Bett und blickte auf Fastrada hinunter, die schmal, dunkel, unglaublich jung und sehr verführerisch vor ihm lag. Doch jetzt hatte er keinen Blick für ihre Reize.
»Was hast du heute nachmittag mit meinem Ältesten angestellt?« Seine Stimme klang unwirsch.
Es war ihm unmöglich geworden, den Namen seines inzwischen dreiundzwanzigjährigen Sohnes auszusprechen, seitdem er auf Hildegards Wunsch den anderen Sohn, der einst auf den Namen Karlmann gehört hatte, auch in Pippin hatte umtaufen lassen. Er redete ihn also mit ›Sohn‹ an und sprach von ihm als seinem ›Ältesten‹.
»Du meinst Pippin, den Buckel?« Fastrada zog sich die Decke bis zum Hals und kicherte.
Karl blieb ungerührt.
»Auch er scheint zu vermuten, daß mir besondere Kräfte innewohnen«, sagte sie mit aufreizendem Blick.
»Was hast du mit ihm getan?« herrschte er sie an.
Abwehrend hob sie die Hände. »Nicht so laut, Karl«, flüsterte sie, setzte sich mühsam auf und pustete in die flache Schale auf ihrem Nachttisch, bis eine kleine Rauchsäule emporstieg. »Nichts habe ich mit ihm getan. Er bat mich nur um Mittel, seine Abweichung zu beheben. Also habe ich ihm geraten, sich nach dem Himmel zu strecken, damit sich bei ihm alles geraderücke.« Ein spöttisches Lächeln umspielte ihren Mund, als sie zu dem bereitliegenden großen Federbusch griff. »Wirklich, Karl, es sah einfach zu komisch aus, wie er dann da im Hof stundenlang an der Wand mit den Füßen im Eisen stak und sein Oberkörper mit Stricken umwickelt nach oben gezogen wurde. Stell dir vor, sein Beinkleid ist sogar so weit
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