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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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streng.
    »Immer köpfen sie mich!« schluchzte Gerswind. »Oder sie werfen mich ins Wasser, um mich zu taufen. Dabei bin ich schon lange getauft!«
    »In der Tat«, murmelte Karl zerstreut und brüllte seine Kinder an: »Fällt euch denn nichts anderes ein, als unentwegt Sachsen und Franken zu spielen?« Sein Sohn Ludwig und die Töchter Gisela und Berta zuckten zusammen. »Schließlich gibt es doch auch noch die Awaren«, setzte er in freundlicherem Ton hinzu. Diese verdammten Awaren! Warum nur gelingt es mir nicht, ihre Ringburgen zu erstürmen? Augenblicklich verfinsterte sich sein Gesicht wieder. Die Kinder wichen erschrocken zurück und blickten verunsichert zu der fremden Frau, die ihren Schleier wieder übers Gesicht hatte fallen lassen. Eine unnötige Vorsichtsmaßnahme, denn die Karlskinder hatten ihre Tante vor Jahren zuletzt gesehen und hätten sie nicht wiedererkannt.
    Unsanft entriß Karl das unbekannte Kind Giselas Hand und schob es den anderen zu. »Hier habt ihr Hruodhaid, eine Awarenprinzessin, aber behandelt sie höflich, wie es ihrem Stand geziemt. Und denkt daran, die Reflexbögen der Awaren durchbohren die Panzer aller Reiter, also ist Vorsicht geboten!« Er griff hinter sich, hob Gerswind wie eine Feder auf und stellte sie zu den vier anderen Kindern. »Und du bist zur Abwechslung mal eine Wikingerprinzessin. Mach deiner Mutter und deinem Großvater keine Schande, und rüste deine Schiffe gut aus. Und jetzt trollt euch und verhandelt wie zivilisierte Menschen über die Grenzen eurer Länder.«
    »Das war wohl mein Neffe Ludwig«, kommentierte Gisela, als die Kinder das Gemach verlassen hatten. »Er hat einen weichen Zug um den Mund und kalte Augen. Ist der König von Aquitanien denn nicht zu alt, um mit kleinen Mädchen zu spielen?«
    »So klein ist dein Patenkind Gisela auch nicht mehr«, gab Karl kühl zurück. Er hatte wieder auf seinem Stuhl hinter dem Tisch Platz genommen, auf dem die Zeichnungen für den geplanten Wassergraben lagen. Gisela hatte sich auf der Bank an der anderen Seite niedergelassen. Die trennende Platte Holz half Karl den Abstand zu wahren, den seine Schwester offensichtlich wünschte und den einzuhalten ihm schwerfiel. »Als Tante hättest du dich zu erkennen geben und die Kinder herzen sollen.«
    »Es ist besser, ich bleibe für deinen Hof eine fremde Unbekannte.«
    »Es schmerzt mich, daß du dich auch mir gegenüber als solche verhältst«, sagte der König leise. Wieder dachte er voll Wehmut an die Zeit zurück, da ihm kein Mensch auf der Welt näherstand als seine schöne und kluge Schwester. Wie hatte er es als junger Mann bedauert, sie nicht heiraten zu dürfen! Und wie glücklich war er gewesen, als sie ihm dennoch die Tür ihrer Schlafkammer geöffnet hatte. Die blieb zwar wieder geschlossen, nachdem er ihre Freundin Hildegard geheiratet hatte, doch viele Jahre später hatte er die Schwester einmal umarmen dürfen. In der Nacht nach Bertradas Tod. Verzweifelt hatten sich die Geschwister aneinandergeklammert und um ihre Toten getrauert. Um Hildegard allerdings mehr als um die Mutter, die ihnen schon lange vor ihrem Tod entrückt war. Eine Nacht voller Weinen und Wonnen, erinnerte sich Karl. Und endlich drang es zu ihm durch: eine Nacht mit Folgen. Er stützte die Ellenbogen auf und vergrub das Gesicht in beiden Händen. Nach langer Zeit erst blickte er auf.
    »Hruodhaid ist also acht Jahre alt«, stellte er betroffen fest.
    Gisela nickte.
    »Ich hielt es für angebracht, sie heute, am neunten Todestag unserer Mutter, ihrem Vater zuzuführen, damit sie eine standesgemäße Ausbildung erhält. Sie weiß, daß sie deine Tochter ist, und glaubt, daß ihre Mutter kurz nach ihrer Geburt im Kloster Chelles verschieden ist. Ich habe dich nie um etwas gebeten, Karl, und das tue ich auch jetzt nicht. Ich verlange, daß du sie als deine Tochter erziehen läßt und ihr alle Rechte einräumst, über die deine ehelich geborenen Kinder verfügen.«
    Karl öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber Gisela sprach weiter: »Es ist mir gleichgültig, welchen Namen du ihrer Mutter zu geben wünschst. Behaupte einfach, daß du Fastrada am Tag des Sieges über die Sachsen geschwängert hast – als sie nackt vor dir herumhüpfte. Und daß du Hruodhaid erst jetzt anerkennst, weil ihr damals noch nicht ehelich verbunden wart.«
    »Das wird Fastrada nie zulassen«, antwortete Karl unwillkürlich und begriff da erst, daß er diesen Satz in den vergangenen Jahren schon viel zu häufig

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