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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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gebraucht hatte. Vielleicht hatte Alkuin ja recht, wenn er ihn seiner Gemahlin gegenüber für zu nachgiebig hielt. Das mußte sich ändern, schwor er sich.
    Um Giselas Mund zuckte es.
    »Dann stimmen also die Gerüchte«, versetzte sie. »Du bist dieser Frau verfallen.«
    »Einen größeren Unfug habe ich zeitlebens nicht gehört«, gab Karl grob zurück. »Und das aus dem Munde der angeblich klügsten Äbtissin des Landes! Was weißt du schon von Fastrada!«
    »Sie ist das genaue Gegenteil von unserer Hildegard«, erwiderte Gisela. »Selbstsüchtig, grausam und herzlos. Eine Hyäne. Wie konntest du dich von einer weiblichen Brust nur so hinreißen lassen!«
    »Du bist Fastrada noch nie begegnet.«
    »Aber ich habe soeben beobachtet, wie sie im Hof den armen Pippin quälte.«
    Karl fuhr auf. »Was sagst du da! Sie würde nie wagen, eines von Hildegards Kindern …«
    »Nein, mein Lieber, ich spreche nicht von jenem Pippin, der als Karlmann geboren wurde …«, Gisela sah ihrem Bruder fest in die Augen, »sondern dem anderen, dem buckligen, dem Sohn deiner ersten Frau Himiltrud, der einst dein Kronprinz war und den du jetzt, da du andere Kinder hast, nur am Hof duldest, weil es nicht gut aussähe, wenn du ihn während deines Aufenthalts in seiner neuen Heimat Regensburg nicht aufgenommen hättest. Fastrada hat ebendiesen, deinen Erstgeborenen, der Lächerlichkeit preisgegeben. Als ob es nicht schon lächerlich genug wäre, daß zwei deiner Kinder mit dem Namen Pippin herumlaufen.«
    Karl schluckte die Erwiderung herunter, daß kein Mensch sich anmaßen dürfe, in einem solchen Ton mit ihm zu reden. Zumal Gisela ja genau wußte, weshalb zwei seiner Söhne nach ihrem Großvater Pippin genannt worden waren. Der Name mußte der Dynastie erhalten bleiben, nachdem Karl die Ehe mit Himiltrud aufgelöst und somit den erstgeborenen Pippin von der Erbfolge ausgeschlossen hatte. Doch der König wünschte keinen Streit mit seiner Schwester. Er wollte den Schleier der Fremdheit herunterreißen und die alte Vertrautheit zwischen ihnen wieder heraufbeschwören. Am liebsten hätte er Gisela einfach in die Arme genommen und so lange geherzt, bis die Härte aus ihrem Blick geschwunden war. Aber Karl hielt sich zurück. Gisela war keine Frau, die einfach dahinschmelzen würde, wenn sie ihren Körper an seinem spürte. Damit könnte er weder Innigkeit noch Leidenschaft in ihr wecken. Schließlich hatte sie als Nonne jahrelang allen fleischlichen Begierden entsagt und ihr Herz gegen ihn verhärtet. Der Anblick Hruodhaids hatte sie wahrscheinlich jeden Tag an ihre Sünde erinnert. Karl aber wollte Gisela an ihre Liebe erinnern, und dazu konnte er sich nur eines Mittels bedienen: der Sprache. Giselas Leidenschaft gehörte nämlich dem Wort. Und Karl, darin geübt, seine Kritiker in Grund und Boden zu reden, glaubte genau zu wissen, wie er bei seiner Schwester verfahren mußte.
    Mit sanfter Stimme rief er ihr die gemeinsamen Jugendjahre ins Gedächtnis, die fröhlichen Spiele, die Nähe, die sie spürten, als sie sich gegen die Mutter verschworen, und die innige Vertrautheit. Als er jedoch vorsichtig auf jene erste Nacht zu sprechen kam, in der er sich zu ihr in die Kammer geschlichen hatte, unterbrach ihn Gisela.
    »Du sprichst von einer Vergangenheit, die ich längst hinter mir gelassen und vergessen habe«, sagte sie scharf. »Ich bin nur hergekommen, um mit dir über die Zukunft unserer Tochter zu reden.«
    »Zunächst aber berichte mir, wie es dir in den letzten Jahren ergangen ist«, bat Karl. »Erzähl mir alles von deinem Leben in Chelles, auch von deinen Schriften, die unsere Gelehrten in ein solches Entzücken versetzen.« Nach Karls Erfahrung sprach jeder Mensch gern über sich selbst. Der König überzeugte manchen verstockten Berater nämlich allein dadurch, daß er sich ihm ausgiebig widmete, seine Errungenschaften lobte und den Anschein erweckte, nichts wäre in diesem Augenblick wichtiger als das, was ihm sein Gegenüber mitzuteilen habe. Vielleicht taute auch Gisela auf, wenn sie sich erst einmal warmgeredet hatte.
    Aber bei seiner Schwester verfing seine sonst so erfolgreiche Taktik nicht.
    »Ich habe dir nichts zu berichten«, antwortete sie kalt. »Ich will nur sichergehen, daß du Hruodhaid nicht um ihre Rechte betrügst.«
    »Warum sollte ich das tun?« fragte er leise zurück.
    »Warum solltest du bei ihr lassen, was du mit den Töchtern des Desiderius getan hast? Du hast sie alle um ihre Rechte gebracht: Gerberga,

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