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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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daß sie ein äußerst angenehmes Leben bei Hofe geführt hatte, als sie sich noch mit Hruodhaid ein weiches Bett teilen konnte. Das war ihr damals ebensowenig deutlich gewesen wie die Tatsache, daß nicht nur draußen im Land, sondern auch in den höfischen Wirtschaftsgebäuden Krieg geführt, Menschen ihrer Ehre beraubt und ausgebeutet wurden.
    Am Wohnturm hielt ein Diener sie auf und fragte sie nach ihrem Begehr.
    »Wer denkst du denn, daß du bist, daß du so einfach den Hofmeister sprechen willst?« fragte er unwirsch, als sie ihr Anliegen vorbrachte. »Geh lieber wieder an deine Arbeit.«
    Ich bin die Tochter des Widukind! Und ich habe auch mal zu diesem Haushalt gehört, da hättest du es nicht gewagt, mir derart unfreundlich zu begegnen!
    Aber das sagte sie natürlich nicht.
    »Vielleicht ist es der Königin ja recht, wenn ihren Gewändern der Duft von Ziegen anhaftet und die kostbaren Goldfäden in einem unverschließbaren Stall lagern. Vielleicht mag sie es ja, wenn ihre edlen Stoffe über den schmutzigen Boden geschleift, als Bettdecke genutzt und bei Streitigkeiten vom Blut der Kämpfenden gefärbt werden«, erklärte Gerswind mit fester Stimme. »Nur mir, ihrer bestallten Näherin, dürft ihr dann keine Schuld geben, wenn sich die hohe Frau beschw…«
    »Einen Augenblick«, unterbrach sie der Diener aufgeschreckt. »Warte hier auf mich.«
    Gerswind lehnte sich an die getünchte Wand des Flurs und atmete durch. Noch nie hatte sie derart hoffärtig mit einem Erwachsenen gesprochen, und das Herz klopfte ihr, als wollte es zerspringen. Aber sie hatte zumindest die Aufmerksamkeit des Dieners gewonnen. Ihre Unverschämtheit hatte sie ein Stück weitergebracht.
    Sie blickte auf, als sich langsame Schritte näherten – und jetzt blieb ihr das Herz fast stehen. Auf einen Stock gestützt, kam ihr Teles entgegen. Wie alt er doch geworden war! Sie stellte sich so, daß Licht vom Eingang auf ihr Gesicht fiel. Teles blickte zu ihr hin, murmelte einen unverständlichen Gruß und trat aus der Tür hinaus ins Freie. Sie folgte ihm und stellte sich ihm wortlos in den Weg. Er hob den Stock.
    »Geht bitte zur Seite«, bat er leise.
    Sie rührte sich nicht, schüttelte nur den Kopf.
    Er hob die Lider, und sie erschrak, als nicht die Spur eines Erkennens in seinem Gesicht zu lesen war. Hatte sie sich wirklich derart verändert?
    »Teles«, flüsterte sie. »Ich bin es doch, Gerswind.«
    »Nein, nein«, wehrte er ab und faßte sich mit der freien Hand an die Brust. »Quält mich nicht, ihr Schemen der Vergangenheit, laßt mich endlich in Ruhe …«
    Gerswind liefen Tränen über das Gesicht. Sie mußte sich sehr zusammenreißen, ihren alten Freund nicht zu umarmen. Aber das war im Freien zu gefährlich.
    »Teles, erkennst du mich denn nicht? Ich bin es wirklich! Schau mich an, schau mich doch an!«
    Er starrte stumm geradeaus und ließ es sich gefallen, daß sie ihn wieder in den Gang zog. Zeugen für das Wiedersehen brauchten sie wahrlich nicht.
    Im Flur umarmte sie ihn, und er strich ihr mit seinen gichtigen Fingern übers Gesicht.
    »Du bist es wirklich, mein Kind! Du lebst!«
    Er löste sich von ihr, tastete nach der Wand, ließ sich an ihr langsam nieder und starrte vor sich hin. Endlich begriff Gerswind.
    »Wie lange bist du schon blind, Teles?«
    »Ach, Kind, du weißt gar nicht, wieviel ich sehe, seitdem mir meine Augen den Dienst versagen«, sagte er seufzend. »Aber es schmerzt mich, daß ich nicht mehr in deine blauen Augen blicken kann. Du bist gewiß zu einer wunderschönen Frau herangewachsen.«
    »Ich bin zwölf Jahre alt«, sagte Gerswind stolz. »Und es geht mir gut. Aber hier weiß keiner, wer ich bin. Ich heiße jetzt Linde und bin die Näherin der Königin. Sie hat mich auch nicht erkannt«, setzte sie hinzu. »Und ich habe mich gerade bei einem Diener beschwert, weil ich weder von Mägden gequält noch mit Ziegen zusammenwohnen will. Er holt den Hofmeister, stell dir vor!«
    Teles lachte. »Du bist sehr mutig, mein Kind, aber das warst du immer schon. Wenn ich daran denke, wie furchtlos du dich als kleines Mädchen immer wieder in die große weite Welt hinausbegeben hast …«
    »Still!« unterbrach ihn Gerswind hastig. »Sie kommen!«
    Der Diener hatte in der Tat den Hofmeister mitgebracht, denselben, der schon zwei Jahre zuvor dieses Amt innegehabt hatte.
    Gerswind drehte sich so, daß ihr Gesicht im Dunkeln lag.
    »Du bist die neue Näherin der Königin?« fragte der Hofmeister kurz

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