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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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hervorrief.
    Bisher hatte Rotrud nie so recht verstanden, weshalb ihre überaus schöne Schwester sich einem so viel älteren Mann zugewandt hatte, auch wenn Angilbert, der viel Wert auf ein sehr gepflegtes Äußeres legte, als einer der interessantesten Männer des Hofes galt. Er entstammte der Generation ihres Vaters, war mit diesem schon länger befreundet, als Rotrud und Berta lebten, galt als genauso belesen und gebildet wie Alkuin und Einhard sowie als begnadeter Dichter. Bei den Gesellschaftsspielen am Hof, bei denen jeder einen Spitznamen trug, wurde er deswegen auch Homer genannt. König Karl hatte für sich selbst den Hofnamen David gewählt und damit deutlich gemacht, daß er bereit war, sich seine Macht auf ungewöhnliche Weise zu erhalten.
    »Die gekrönten Täubchen scheinen heute abend besonders munter umherzuflattern, bester Bezaleel«, sprach Alkuin den neben ihm sitzenden Einhard mit dessen Hofnamen an. Des Königs Schreiber bewegte sich unruhig auf dem dicken Kissen, das ihn zumindest im Sitzen etwas größer erscheinen ließ, und nickte mißmutig. »Ich fürchte, lieber Flaccus«, erwiderte er, »unser Homer wertet solch Gurren als süßen Klang zum Auftakt innigerer Verbundenheit. Doch David wird einem Nestbau niemals zustimmen.«
    »Ach, mein Freund«, versetzte Alkuin, »so wie es derzeit in den hohen Gemächern aussieht, wird unser erlauchter David in seinem eigenen Nest bald selbst wieder frieren müssen. Traurig, traurig … Aber wie wir ihn kennen, sollte das nicht von allzu langer Dauer sein.«
    »Weshalb es ratsam erscheint, ihm bei der nächsten Entscheidung für ein Weibchen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen«, fügte Einhard hinzu. »Damit er eine Wahl trifft, die Land, Hof und Familie zuträglich ist.«
    »Liutgard«, murmelte Alkuin.
    »Liutgard«, bestätigte Einhard leise, ohne seinen Gesprächspartner anzusehen.
    Obwohl es am Hof zunächst die wenigsten glauben mochten, rang Königin Fastrada diesmal tatsächlich mit dem Tod. Die Reichssynode ging weiter, aber Karl ließ sich dort immer seltener blicken.
    Er verbrachte Tag und Nacht im Gemach seiner Gemahlin und flehte sie an, ihn nicht zu verlassen. Als ihm die Ärzte gestanden, ihr nicht mehr helfen zu können, sandte er Boten ins Land. Sie sollten alle Wunderheiler und Wanderprediger auftreiben, die es gab, ganz gleich, ob diese getauft waren oder nicht. Er rieb Fastradas schweißnassen Körper mit Wein ab, überwachte höchstselbst die Zusammenstellung von Kräutertrunken, die ihn seine Mutter gelehrt hatte, warf sich vor dem Bett seiner Gemahlin auf die Knie und handelte und haderte mit Gott.
    Am Vormittag des 10. Augusts hob Fastrada nach einer Woche zum ersten Mal wieder die Lider und musterte Karl mit so wilden Augen, daß er voller Hoffnung die Arme emporreckte, zum Fenster eilte und mit einem Blick zum Himmel Gott laut dankte.
    Als er sich umwandte, hatte Fastrada die Lider wieder geschlossen. Ihr Kopf war zur Seite gekippt. Aus ihrem Mund lief etwas Speichel, und ihre Haut schien noch bleicher als zuvor.
    »Nein!« schrie Karl entsetzt. Er warf sich aufs Bett und drückte den erkaltenden Körper seiner Gemahlin an sich. Die Wärme seines eigenen Leibes schien nicht zu genügen, er mußte das Blut dringend anregen, schneller zu fließen. Rasch riß er der Königin das Krankengewand herunter und steckte seine großen Hände in die Schüssel mit Wein neben dem Bett. Hastig, aber sorgsam rieb er jede Stelle ihres Körpers ab und drückte seine Küsse auf jedes Fleckchen Haut, als könnte er es dadurch wieder zum Leben erwecken.
    »Karl, laß ab, die Mühe ist vergeblich, Gott hat sie zu sich genommen«, hörte er Alkuins leise Stimme von der Tür.
    »Das dulde ich nicht!« brüllte der König. »Geh mir aus den Augen, und sprich solches nie wieder!«
    Niemand durfte es wagen, sich dem König im Bett der toten Königin zu nähern. Nicht einmal seiner Lieblingstochter Rotrud gelang es, ihn zum Verlassen der Leiche und der Kammer zu bewegen. Auch Berta kam nicht weiter als bis zur Zimmertür.
    »Er hat eine Schüssel nach mir geworfen«, berichtete sie Angilbert tonlos. »Wie soll das nur weitergehen?«
    Angilbert griff nach ihrer Hand und küßte sie sanft. »Jedenfalls nicht mehr lange«, erklärte er. »Nicht in dieser Sommerhitze …«
    »Eine Leidenschaft, die schaudern macht«, flüsterte Berta. »Er lag völlig entblößt neben der nackten Leiche … als wäre er einem Zauber verfallen.«
    »Ein Zauber …«,

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