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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Schillinge zu je zwölf Denaren an Gewicht und damit an Wert gewinnen.
    Als langanhaltender Applaus für den König aufbrandete, schlich sich der Prinz in die vordere Reihe auf seinen angestammten Sitz. Gutgelaunt zwinkerte ihm der König zu, und der Sohn lehnte sich erleichtert zurück.
    Karl beugte sich zu ihm vor und flüsterte: »Das war erst meine Einleitung. Warte, wie die Herrschaften reagieren werden, wenn ich ihnen meinen neuen Beschluß vorlege! Ich werde dafür sorgen, daß niemand in diesem Land mehr Hungers sterben muß, denn ich werde dem Wucher Einhalt gebieten.«
    »Wie willst du das denn schaffen?« fragte der Jüngere flüsternd zurück.
    Um Karls Mund spielte ein listiges Lächeln. »Ich werde schlichtweg feste Preise für Hafer, Gerste, Roggen und Weizen, ja sogar für fertiges Brot vorgeben.«
    »Aber in Zeiten der Verknappung von Gütern gibt es immer eine Teuerung«, gab der Prinz zu bedenken.
    »Damit ist es jetzt endgültig vorbei«, antwortete der König. »Niemand soll mehr aus der Not anderer Gewinn ziehen. Und sei gefälligst das nächste Mal pünktlich«, setzte er noch streng hinzu, ehe er sich jenem Redner zuwandte, der den Versammelten näher ausführte, welche Strafen eine Annahmeverweigerung des neuen Geldes nach sich ziehen würde.
    Der Prinz wandte sich an seinen jüngeren Bruder Ludwig, der neben ihm saß.
    »Wo steckt Fastrada?« fragte er.
    »Krank«, erwiderte Ludwig ironisch lächelnd. »Wieder einmal.«
    Karl der Jüngere lachte leise. »Da hat das Wunder des Heiligen Goar aber nicht sehr lange angehalten.«
    »Still! Du sprichst wie ein Heide!« fuhr ihn sein sechzehnjähriger Bruder an.
    Karl schüttelte den Kopf. Schlimm genug, daß Ludwig nicht den geringsten Sinn für Humor hatte, doch seine überspannte Frömmigkeit war noch schwerer zu ertragen und schien sich nach seiner Heirat mit der vierzehnjährigen Irmingard nur weiter gesteigert zu haben.
    Eigentlich hatte der König ihm selbst diese mit ihnen nahverwandte Urenkelin Karl Martells als Gemahlin zugedacht – mit zweiundzwanzig Jahren war es für den ältesten Sohn schließlich höchste Zeit zu heiraten –, aber der junge Mann hatte abgelehnt. Immer noch nahm er es seinem Vater übel, daß dieser sich seiner Eheschließung mit der schönen Tochter des Königs Offa von Mercien widersetzt hatte. Deren Schultern hatte ebenso silbrig glänzendes Haar umschmeichelt wie das, dessen er soeben im Hof des Wohnturms ansichtig geworden war. Hübsch ist sie geworden, die kleine Sächsin …
    Die kleine Sächsin hatte sich inzwischen wieder etwas gefangen und mühte sich, das orientalische Muster in Fastradas Oberkleid einzusticken, ohne dem feinen Seidenstoff unnötige Verletzungen zuzufügen.
    Sie war so in ihre Arbeit vertieft, daß sie das Nahen einer anderen Person erst bemerkte, als diese einen spitzen Schrei ausstieß. Gerswind blickte überrascht auf. Wenige Schritte von ihr entfernt lag ein Haufen bunter Stoffe, der von einem leuchtendroten Haarschopf gekrönt war.
    »Ich … ich … b… b… bin über meinen S… S… Saum gef… f… fallen …«, erklang eine ängstliche Stimme.
    »Ach, Hruodhaid«, seufzte Gerswind, »überlaß mir deine Kleider. Ich werde sie dir kürzen.«
    Ein bleiches Gesicht, auf dem eine Vielzahl von Sommersprossen prangte, hob sich Gerswind entgegen. Die blauen Augen waren ebenso weit aufgerissen wie der Mund, aus dem jetzt kein Ton mehr hinauswollte.
    Gerswind legte Fastradas Gewand sorgsam auf den Tisch, bückte sich und half Hruodhaid beim Aufstehen.
    »Kein Grund zu verstummen«, sagte sie. »Ich bin es wirklich. Aber du darfst niemandem sagen, daß ich jetzt wieder hier bin.«
    Hruodhaid schüttelte so heftig den Kopf, daß ihre fliegenden Haare Gerswind ins Gesicht peitschten. Schluchzend fiel sie ihrer alten Freundin um den Hals. Gerswind löste sich sanft aus der Umklammerung, schob Hruodhaid den Hocker zu, auf dem sie soeben noch selbst gesessen hatte, und lehnte sich gegen den Tisch.
    »W… w… wie …«, begann Hruodhaid, brach aber ab, weil sich die Worte nicht formen ließen.
    »Das erzähle ich dir alles später«, versicherte Gerswind sanft. Hruodhaids Mühe, Worte hervorzubringen, erschreckte sie zutiefst. Vor zwei Jahren hatte das Mädchen nur gelegentlich gestottert, jetzt aber schien sie des Sprechens nahezu unfähig. Gerswind deutete auf einen Purpurstoff, der im Gras lag und sich im Wind leicht blähte, sowie auf diverse verschiedenfarbige Seidenbänder, die

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