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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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die er nicht auch selbst ertragen würde und ertragen hat. Nur in dieser einen, im Grunde nicht einmal so bedeutsamen Sache, wenn sie bedachtsamer ausgeführt würde, ist er leider recht unmäßig.«
    Einhard, den er nicht nur wegen seiner geringen Körpergröße, sondern auch wegen seines Fleißes und seiner Emsigkeit am Hof gelegentlich die Ameise nannte, nickte unglücklich.
    Keiner wußte besser als er, wie viele Früchte von Karls Lenden hinter Klostermauern großgezogen wurden, um hinter ebendiesen Klostermauern zu bleiben. Schließlich hatte er im Verlauf der vergangenen Jahre im Auftrag des Königs die meisten dieser Geschöpfe dorthin begleitet.
    Zum Beispiel Emma, die er ohne des Königs Wissen, sooft es ihm nur möglich war, unter einem Vorwand in der Wormser Abtei aufsuchte. Noch nie hatte ihn ein Menschenkind so gefesselt wie dieses aufgeweckte, prächtige und bereits als kleines Kind so kraftvoll wirkende Mädchen. Ein wahrer Jammer, daß diesem wunderbaren Geschöpf bestimmt war, im Kloster dahinzuwelken!
    Einhard hielt es für eine Ironie des Schicksals, daß ausgerechnet eine Tochter, die Karl nicht offiziell anerkannt hatte, dem Vater weitaus mehr glich als alle seine ehelich geborenen Kinder – von der unbeholfenen Hruodhaid ganz zu schweigen. Es wurmte ihn, daß sich der König schlichtweg weigerte, ihm für seine Annalen den Namen der Mutter dieses Karl ganz und gar unähnlichen Wesens zu nennen. »Laß dir eben etwas einfallen«, hatte er dem zaghaft nachfragenden Einhard beschieden. Dieser wußte, daß Äbtissin Gisela, die Schwester des Königs, Hruodhaid an den Hof gebracht hatte, konnte sich allerdings nicht vorstellen, daß in ihr tatsächlich das Blut des Herrschers fließen sollte. Er überlegte, ob Karl möglicherweise seiner Schwester einen großen Liebesdienst schuldig war und daher ein Kind, an dem Gisela aus unerfindlichen Gründen einen Narren gefressen hatte, als das seine in seinem Haushalt aufgenommen hatte.
    Es wäre viel angemessener gewesen, hätte er dieses für Emma getan, deren Mutter schließlich aus einer angesehenen Wormser Familie stammte und deren kluger Bruder Bernhard es in Kirchendiensten bestimmt sehr weit bringen würde!
    Mit ihren inzwischen dreizehn Jahren überragte Emma den königlichen Schreiber bereits um mehr als eine Haupteslänge, was sein Entzücken über das edle Wesen nicht im mindesten verringerte. Allerdings wäre ihm nie eingefallen, das Mädchen körperlich zu begehren und sich ihm auf so ungebührliche Weise zu nähern, wie es der König bei der jungen Tochter des Seneschalls getan hatte. Er schüttelte sich, als er an das triumphierende Grinsen ihres Vaters dachte, der möglicherweise gar so vermessen war, in dieser Gespielin für eine Nacht die künftige Königin zu sehen.
    »Ich habe nach Liutgard geschickt«, sagte Alkuin. »Sie sollte jetzt jeden Tag hier eintreffen. Und ich werde es einrichten, daß der Blick des Königs auf sie fallen muß.«
    »Karl hat ihre lichte Schönheit und ihr sanftes Wesen ja schon früher gewürdigt«, setzte Einhard hoffnungsvoll hinzu. »Nach einem solch herrschsüchtigen Weib wie Fastrada steht ihm jetzt hoffentlich der Sinn nach einer milderen Gefährtin. Liutgard wäre nicht nur eine Zierde, sondern eine Bereicherung und ein Segen für den Hof.«
    Er verabschiedete sich von Alkuin und von den Gedanken über die besondere Schwäche des Königs. Vielleicht sollte er versuchen, mit dieser so umzugehen wie mit den Mauern, die jetzt in Aachen hochgezogen wurden: Ich muß das Gesamtwerk im Auge behalten und darf mich nicht mit Jammern über einen schlecht eingesetzten Stein aufhalten, wenn Tausende daneben, darunter und darüber in schöner Vollkommenheit harmonisch in Maß und Zahl zusammengefügt sind.
    Leider fiel es ihm sehr schwer, den einen schiefsitzenden Stein zu vergessen.
    Hruodhaid überbrachte Gerswind die Nachricht von der Geburt der ersten königlichen Enkelkinder. Ludwig und Irmingard waren am Vortag mit dem kleinen Zwillingspärchen aus Aquitanien an den Hof nach Frankfurt gekommen.
    »Alp… pais und Arn… nulf«, sagte Hruodhaid.
    »Alpais?« fragte Gerswind verwundert. »Nicht Chalpaida?«
    »Du meinst, wie die Urgroßmutter des Königs?« In Gerswinds Gegenwart schaffte es Hruodhaid immer häufiger, Sätze fließend hervorzubringen.
    »Ja«, erwiderte Gerswind. »Es ist doch üblich, Namen innerhalb der Familie weiterzugeben. Alpais klingt sehr fremdartig. Vielleicht hast du dich ja

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