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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Angilbert nickte nachdenklich. »Du könntest recht haben. Vielleicht sollte wir unseren Theresias dazu befragen.«
    »Du meinst Teles?« fragte Berta zweifelnd.
    »Glaub mir, Liebste, der Mann versteht sich auf Zauber«, bemerkte Angilbert nüchtern, küßte sie rasch und ging auf die Suche nach dem Referendarius.
    Teles saß neben Gerswind im Hof. Angilbert näherte sich dem ungleichen Paar, lächelte das fremde Mädchen freundlich an und flüsterte Teles etwas ins Ohr.
    Teles nickte.
    »Wenn ich Hilfe beim Steigen der Stufen erhalte …«, hörte Gerswind ihn noch sagen. Sie blickte auf das festliche nachtblaue Gewand mit der Silberstickerei, das Fastrada als letztes bei ihr in Auftrag gegeben hatte und das jetzt beinahe fertiggestellt war. »Sie möchte den Mond und alle Sterne auf dem Leib tragen«, hatte die Kammerfrau der Königin der kleinen Näherin übermittelt. Fastrada selbst hatte sich Gerswind nie mehr gezeigt.
    Sie nahm die Stickerei wieder auf. Karls Töchter hatten alle entweder blonde, hellbraune oder rote Haare, und keine von ihnen war so zierlich wie Fastrada gebaut. Keiner von ihnen würde dieses Kleid gefallen oder passen, doch Gerswind arbeitete unbeirrt weiter. So etwas half in Zeiten der Wirrnis, das hatte sie in Prüm gelernt.
    Plötzlich traf sie etwas hart am Kopf. Die hochgesteckten Haare unter dem dicken Tuch milderten den Aufprall ein wenig, dennoch saß Gerswind einen Augenblick wie benommen da und rieb sich die schmerzende Stelle. Da fiel ihr Blick auf etwas Glitzerndes zu ihren Füßen. Sie beugte sich vor und hob staunend einen Goldring mit einem großen Diamanten auf. Im hellen Sonnenschein schien er richtige Funken zu sprühen.
    Offensichtlich war dies der Gegenstand, der sie am Kopf getroffen hatte.
    Sie blickte nach oben. So verschwenderisch Karls Töchter auch geschmückt waren, konnte sich Gerswind doch nicht vorstellen, daß eine von ihnen einen so kostbaren Ring einfach aus dem Fenster geworfen hatte. Wahrscheinlich hatte ein Vogel, eine Elster vielleicht, das Glitzerding irgendwo aufgepickt und, weil es ihm zu schwer geworden war, wieder fallen lassen. Eins war klar: Der Diamantring gehörte jetzt ihr!
    Gerswind dachte rasch nach. Sie selbst besaß nichts von Wert, doch irgendwann würde sie den Königshof verlassen und ihre Angehörigen suchen müssen. Mit diesem wertvollen Ring war sie nicht länger mittellos. Kurz entschlossen schnitt sie sich ein langes Stück Goldfaden ab, wirkte mit ihren geschickten Fingern daraus eine Kette, an die sie den Diamanten hängte, und verbarg das erste Schmuckstück ihres Lebens unter ihrem Kleid.
    Als sich Teles wenig später wieder zu ihr setzte, spielte ein befriedigtes Lächeln um ihre Lippen. Wenn sie wieder einmal Hals über Kopf flüchten mußte, würde sie bequemer reisen können.
    »Es ist alles in bester Ordnung«, teilte Teles ihr mit. »Die Königin wird morgen nach Sankt Alban in Mainz überführt und dort bestattet.«
    »Der König hat also ihr Gemach verlassen?« fragte Gerswind aufgeregt. Selbst zu der kleinen Näherin waren die Nachrichten gedrungen, daß König Karl von seiner toten Gemahlin keinen Abschied nehmen konnte. Wilde Gerüchte hatten die Runde gemacht, etwa solche, daß Karl mit jenem Akt, der Leben schafft, den Tod aus dem Leib seiner Gemahlin heraustreiben wollte.
    »Er ist von seiner Reise in die Tiefen des Hades zurückgekehrt«, erwiderte Teles nickend, »und läßt sich jetzt ein Bad bereiten.«

5
    Annäherung
    Die Jahre 794-797
    Nach Fastradas Beerdigung schwor Karl, sich nie wieder auf solche Weise an einen einzigen Menschen zu binden, schon gar nicht an ein Weib. Fastrada lag noch nicht unter der Erde, als er schon bei dem Gedanken erschauerte, daß er tagelang ihre Leiche liebkost hatte. Ihm graute vor sich selbst. Als wäre er verhext worden. Ein Hirngespinst, überlegte er und bedachte, wieviel weniger er sich schuldig fühlen würde, wenn er sein frevelhaftes Handeln tatsächlich einer anderen Macht zur Last legen könnte als seinem eigenen Willen. Heiden hätten sicher schnell derartige Überlegungen angestellt und sich möglicherweise mit probaten Mitteln gegen das Verhexen wehren können. Er als Christ durfte sich nur auf den Teufel berufen. Doch das war in seiner Position unmöglich. Welch fürchterliche Vorstellung, wenn am Hof und im Lande bekannt würde, daß jenem König, der mit Feuer und Schwert die Heiden zum Christentum bekehrte, der Teufel hatte ausgetrieben werden müssen!
    Er

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