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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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vorsichtig mit dem Zeigefinger die Konturen seines Profils nach.
    »Ich liebe dich, Karl«, flüsterte sie, als sie behutsam den Arm anhob, der auf ihrer Brust ruhte. Karl schnaufte kurz und drehte sich dann auf die andere Seite. Sie wollte noch ein Weilchen die Nähe des Geliebten genießen, schloß die Augen und ließ das Erlebnis der ersten Liebesnacht ihres Lebens noch einmal auf sich wirken. Wärme zog wieder in ihren Schoß ein, wogte wie flüssiges Licht durch ihren ganzen Körper, sammelte sich in ihrem Herzen und breitete sich bis zu ihren Zehen und Fingerspitzen aus. Sie konnte kaum atmen, so überwältigt war sie von der Erkenntnis, daß sie sich jetzt mit einem Menschen auf Erden für alle Zeiten unverbrüchlich verbunden fühlte. Nichts hatte sie auf dieses Wunder vorbereitet, nie hatte sie auch nur geahnt, daß derartige Empfindungen in ihr schlummerten. Und nie hätte sie sich vorstellen können, daß jener Akt, den sie aus eigener schmerzlicher Erfahrung mit Gewalt gleichgesetzt hatte und der dem Augenschein nach am Hof als munterer Zeitvertreib gewertet wurde, die Türen zu Seele und Geist so weit aufstoßen könnte. Doch mit einer Klarheit, die sie bestürzte, erkannte sie auch, daß diesem Anfang das Ende innewohnte. Es galt wieder Abschied zu nehmen.
    Sie erhob sich leise und langsam vom Bett, griff nach ihrem Kleid und erschrak, als etwas zu Boden klimperte. Ein Blick zum Bett überzeugte sie, daß Karl immer noch fest schlief. Rasch hob sie den Diamantring auf, hielt ihn ans Fenster und staunte über sein Funkeln, als sähe sie es zum ersten Mal. Das Gold des Reifs wirkte plötzlich wie eine kleine zusammengerollte Schlange. Als spräche eine Stimme zu ihr, ertönte in ihrem Kopf die Frage: Was wünschst du?
    Erstaunt hielt sie inne, musterte den Ring und dachte: Ich wünsche mich weg von hier, am liebsten nach Prüm. Während sie den Ring wieder unter ihrem Kleid verbarg, wunderte sie sich über ihren Gedanken. An Prüm hatte sie schon lange nicht mehr gedacht. Aber sie mußte weg.
    Unvorstellbar, was geschähe, wenn sie bliebe. Schon der Gedanke, Karls rechtmäßiger Gemahlin, der warmherzigen und liebenswerten Liutgard, Schmerzen zu bereiten, erschien ihr unerträglich. Auch wenn Liutgard wußte, daß sie ihren Mann mit vielen anderen Frauen teilen mußte. Gerswind wollte nicht in den Reigen der Beischläferinnen eingereiht werden, und sie konnte Liutgard unmöglich hintergehen. Also mußte sie verschwinden.
    Carolino! Seine Welt würde einstürzen. Gerswind erschauerte, als ihr Szenen von Zweikämpfen zwischen Vater und Sohn aus Geschichten und Legenden in den Sinn kamen. Carolino mochte das Wesen der Liebe vielleicht nicht begriffen haben, aber er glaubte, ihr begegnet zu sein, und er würde um das kämpfen, was er für seine Liebe hielt. Gerswind dachte an Hruodhaid, die voller Verachtung von Regina, Madelgard, Rathild, Hroswitha und den anderen Schnepfen sprach, die dem Vater Kraft abzögen und zu denen er ging wie der gewöhnliche Mensch zum Erker der Notdurft. Hruodhaid würde sich getäuscht und verraten fühlen.
    Erst als Gerswind angezogen war, ging ihr durch den Kopf, daß es auch für sie selbst künftig unerträglich wäre, den König nach der Abendunterhaltung mit einem anderen Mädchen aus dem Raum verschwinden zu sehen und zu wissen, was dann in seiner Kammer geschah. Schon der Gedanke verschaffte ihr Qualen, und sie hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie sie leiden würde, wenn sie am Hof blieb. Wie hielt Liutgard das nur aus?
    Gerswind gab sich nicht der Illusion hin, daß der König nach dieser Nacht nur noch Augen für sie haben würde. Sie war zwar selbstbewußt genug, um zu vermuten, daß sie ihn mehr als nur körperlich berührt hatte, doch sie ahnte, daß dies für ihn kein Grund sein würde, auf seine anderen Frauen zu verzichten – von denen sich gewiß jede in dem Gefühl sonnte, ihn auf eine ganz bestimmte und unnachahmliche Weise zu beglücken. Sie alle fühlten sich auserwählt. Gerswind konnte sich denken, woran das lag. Karl vermittelte schließlich fast jedem Menschen, in dessen Gegenwart er sich befand, den Eindruck, dieser sei für ihn in diesem Augenblick das wichtigste und kostbarste Geschöpf auf der Welt. Ganz gleich, ob er mit einem anderen König, einer Magd, einem Hofbeamten, einer Gräfin, einem Steinmetz, einem Bauern oder einem Bettler sprach. Er nahm jeden ernst. Vermutlich hatte er diese Begabung von seiner Mutter geerbt. Aus Prüm

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