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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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sicherzugehen, daß er sein Amt nie wieder würde ausüben können. Doch Karls Königsbote Herzog Winigis von Spoleto, dessen fränkische Truppen vor den Toren Roms lagerten, eilte auf die Gerüchte hin sofort in die Stadt und gab Anweisungen zur augenblicklichen Befreiung des Papstes. Dem getreuen Papstkämmerer Albinus gelang es, innerhalb weniger Stunden eine Strickleiter in das Kloster zu schmuggeln, mit deren Hilfe Leo floh. Eilends wurde er nach Sankt Peter gebracht, wo der Königsbote den verletzten Pontifex in Empfang nahm und unverzüglich nach Spoleto in Sicherheit brachte. Der getreue Kämmerer, dessen Haus von wütenden Römern ausgeraubt und in Brand gesetzt worden war, begleitete ihn. Papst Leo hatte sich unter den Bewohnern der Stadt sichtlich wenig Freunde gemacht.
    Seufzend blickte Karl auf das Pergament, das neben dem Giselas auf dem Tisch lag. Es war die Antwort Alkuins auf seinen Vorschlag, der Papst solle doch auf sein Amt verzichten. Er könne ja jetzt gesundheitliche Gründe anführen. Das wäre die sauberste Lösung, fand Karl. Schließlich müsse man auch auf die Menschen im Umfeld Leos hören, die ihm einen unsittlichen Lebenswandel und Schlimmeres vorwarfen. Da war doch zumindest so etwas wie eine Untersuchung fällig.
    Warum fahre also nicht er, Alkuin, nach Rom und schaffe dort in des Königs Namen Ordnung, hatte Karl vorgeschlagen. Er hatte es nicht lassen können, dabei ironisch auf Alkuins Sinn für Ästhetik hinzuweisen: »Die goldstrahlenden Hügel von Rom werden deinen Augen wohler tun als die rauchgeschwärzten Dächer von Tours.«
    Alkuin hatte höchst empört auf diesen Brief reagiert. Er nannte die Verschwörer ›Söhne der Zwietracht‹ und wies auf das Kirchenrecht hin, wonach kein Mensch den Bischof von Rom richten dürfe: »Papa a nemine indicari potest.« Und voller Zynismus forderte er Karl auf, den Feldzug nach Sachsen zu unterlassen, da ›Eisen den Augen erheblich mehr schade als Qualm‹. Er zitierte aus einem Psalm, daß es besser sei, im Winkel auf dem Dach zu sitzen als mit einem zänkischen Weibe – also Rom – in einem Hause, und fügte hinzu, daß Karl jetzt gezwungen sei, ›zur Bekämpfung dieser verdammenswerten Krankheit die süßen Sitze Germaniens zu verlassen‹.
    Karl, ›der süßeste David‹, wie Alkuin ihn ansprach, müsse also gefälligst selbst nach Rom reisen und sich mit seiner ganzen Autorität als König des christlichen Abendlandes vor Papst Leo stellen, dessen Feinde zur Rechenschaft ziehen und für Ordnung sorgen.
    »Nein!« schrie Karl die Wände an, die ihn umgaben. Er wollte diesen unwürdigen Papst nicht wieder einsetzen, und er konnte seine Freunde nicht zum Tode verurteilen. Er war der König, und er bestimmte, was geschah. Da mochte dieser angelsächsische Mönch noch so zetern. Statt Briefe zu schreiben, solle Alkuin doch selbst fahren. Aber vermutlich befürchtete er, sich auf der beschwerlichen Reise den Saum seiner Robe zu beschmutzen, dachte Karl aufgebracht. Alkuin verlangte Unmögliches von ihm: Er sollte dem Papst den Kopf waschen, ohne ihn naß zu machen.
    Mühsam erhob er sich. Alle Glieder schmerzten ihm. Ich werde alt, dachte er betroffen, das lange Sitzen im Sattel fordert nach mehr als fünfzig Sommern seinen Tribut. Aber es war bereits zu spät, um noch ein Bad in seinen geliebten heißen Quellen zu nehmen. Also ging er dorthin, wo er Ruhe und Frieden zu finden hoffte. Als er den schwach erleuchteten langen Flur zur Pfalzkapelle betrat, sah er am anderen Ende einen Schemen die Tür zum Gotteshaus öffnen. Im Fackellicht am Eingang blitzte unter einem kurzen schwarzen Tuch langes weißblondes Haar auf.
    Da kann sie noch so viele Kerzen entzünden – meinen Sohn heiratet sie nicht!
    Gerswind hielt tatsächlich eine Kerze in der Hand. Karl ließ die Tür der Pfalzkapelle mit lautem Krachen ins Schloß fallen. Seine Schritte hallten in dem hohen Raum wider, als er zielstrebig auf Gerswind zuging. Sie blickte auf.
    »Du hast mir etwas zu sagen, Gerswind?«
    Das war keine Frage sondern ein Befehl.
    »Ja«, antwortete sie leise und legte die Kerze unangezündet wieder hin. »Teles wollte nicht in Aachen begraben werden.«
    »Teles …?« Er brach ab. Der kleinen Sächsin gelang es doch immer wieder, ihn zu verblüffen.
    Sie sah ihn bittend an. »Er hat mir gesagt, daß er neben seiner Frau und seiner Tochter in Saint Denis liegen möchte. In der Nähe deiner Mutter Bertrada. Den drei wichtigsten Menschen in seinem Leben

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