Die Beutefrau
brechen.
Sie würde wiederkommen, oder er würde sie holen, aber erst mußte er sich um diesen verdammten Papst kümmern, den offenbar nicht einmal der Teufel zu holen wünschte. Und dessentwegen mehr Pferde zu Tode geritten wurden als je zuvor eines anderen Menschen wegen.
Auch der Hengst des Boten, der einige Tage nach Gerswinds Abreise in den Hof eingaloppierte, verendete, bevor der Bote vom Sattel gesprungen war.
Karl empfing den Mann aus Spoleto hoffnungsfroh. Vielleicht hatte Gott ja endlich ein Einsehen gehabt und diesen unwürdigen Stellvertreter seinen Verletzungen erliegen lassen.
Das Gegenteil war der Fall.
»Der Heilige Vater«, brachte der Bote hervor, »ist auf dem Weg ins Frankenland! Er kommt nach Aachen.«
Nie, dachte Karl, dieser Mann wird mein Aachen nicht mit seiner Anwesenheit besudeln, verzeih mir, Gott, aber diesen Stellvertreter hast du uns doch nur als Prüfung gesandt!
»Wo ist er jetzt?« fragte er den Boten.
»Noch tief im Süden. Es geht nur langsam voran, da ihm in allen Dörfern ein großer Empfang bereitet wird. Und alle Blinden und Tauben werden ihm vorgeführt, auf daß er ihnen die Hand auflege und auch sie wieder sehen und sprechen können. Er ist ein Heiliger, dem Gott eine große Gnade gewährt hat, und es ist ein großes Glück für jeden, der seiner auch nur ansichtig wird.«
»Amen«, sprach der König.
Danach widmete er sich seinem Sohn Karl, der ihm vorhielt, Gerswind wieder einmal vom Hof vertrieben zu haben.
»Hast du darüber nachgedacht, daß sie dich vielleicht nicht heiraten möchte?« fragte Karl freundlich. »Könnte es sein, daß sie nicht vor mir, sondern vor dir davongelaufen ist?«
Carolino blickte seinen Vater betroffen an.
»Sie hat zugestimmt, mich zu heiraten, wenn du einverstanden bist«, hielt er ihm entgegen.
»Ich bin es nicht, wie du weißt.«
»Und warum nicht?«
»Muß ich dir das wirklich erklären?«
Der junge Karl schüttelte den Kopf und rief dann: »Irgendwann wird sie die meine, du wirst schon sehen!«
»Ich sehe«, antwortete Karl abwesend, »ich sehe, aber erst begrüßen wir hier deine Tante Gisela, und dann geht es gen Sachsenland. Wir schlagen unser Lager in Paderborn auf, und da werden wir im nächsten Monat den Heiligen Vater empfangen. Mit allen Ehren«, setzte er knurrend hinzu.
»Nicht hier in Aachen?« fragte der Königssohn verblüfft.
»Nein, im Herzen des Sachsenlandes. Er soll das wilde Land, das wir befriedet haben, selbst sehen.«
In den Wochen danach rechnete sich Karl genau aus, wann Gisela in Aachen eintreffen müßte, damit er ihr entgegenreiten konnte. Er hatte seine Schwester seit Jahren nicht gesehen, und der Gedanke, sie könne ihm in seinem Arbeitszimmer wieder wie eine Fremde entgegentreten, war ihm unerträglich. Noch in der Nacht vor ihrem Eintreffen ließ er seinen Hengst herrichten und lehnte zum Entsetzen seines Marschalls jegliche Begleitung ab.
»Ich habe mir sagen lassen, daß mein Freund Harun al-Raschid auch gelegentlich unerkannt durch seine Stadt zieht, um zu erfahren, was sich in seinem Land tut«, sagte er, wobei ihm sofort einfiel, daß er von seiner Gesandtschaft ins Morgenland immer noch keine Nachricht hatte.
Hruodhaid wälzte sich in dieser Nacht aufgewühlt auf ihrem Lager herum. Die Freude, die von ihr hochverehrte Äbtissin Gisela endlich wiederzusehen, ließ sie an Schlaf nicht denken. Endlich kam wieder ein Mensch an den Hof, der ihr gewogen war, sanft mit ihr umging, sie schätzte und sich nicht über sie lustig machte. Eine Frau, die sie liebte und der sie genauso bedingungslos vertraute wie Gerswind, die sie so schmerzlich vermißte. Alles würde gut werden, wenn sie nur wieder um Äbtissin Gisela sein, in ihr vertrautes Gesicht blicken und offen mit ihr reden könnte. Der König hatte Hruodhaid am Vorabend mitgeteilt, daß seine Schwester gedenke, sie für einige Zeit mit nach Chelles zu nehmen. Hruodhaid brauchte gar kein überraschtes Gesicht aufzusetzen; sie war tatsächlich verblüfft, daß Gerswind offenbar schon vor Wochen über diesen Plan im Bilde gewesen war. Doch sie hielt sich nicht lange mit ihrer Verwunderung auf – schließlich hatte sie bei ihrer Freundin schon öfter unerklärliche Merkwürdigkeiten beobachtet. Einmal war sie ihr heimlich in den Wald gefolgt und hatte mit eigenen Augen beobachtet, wie sie sich ganz plötzlich in Luft aufgelöst zu haben schien. Das war ihr so unheimlich vorgekommen, daß sie darüber weder zu Gerswind selbst noch zu
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