Die bezaubernde Arabella
nicht.«
3
SCHLIE ß LICH war es dann doch erst Mitte Februar soweit, daß Arabella ihre Reise nach London antreten konnte. Nicht nur hatte Mme. Dupont länger als angenommen dazu gebraucht, die Garderobe fertigzustellen, es war auch sonst noch mancherlei zu erledigen gewesen; und dann hatte Betsy das Ihre dazu beigetragen, eine Verzögerung herbeizuführen, indem sie an einer vereiterten Halsentzündung erkrankte und leichtes Fieber hatte. Das war, so fanden alle, wieder einmal echt Betsy. Während Mrs. Tallant alle Hände voll zu tun hatte, die Patientin zu warten, erlag Bertram der Versuchung, entzog sich seinen Büchern und der väterlichen Aufsicht durch List, verschaffte sich einen vergnügten Tag auf der Jagd und wurde schließlich mit einem gebrochenen Schlüsselbein auf einem Leiterwagen in das Pfarrhaus heimgebracht. Durch dieses Unheil brütete eine Woche lang Düsterheit über dem Haus, denn der Vikar war nicht nur verärgert, sondern sogar tief gekränkt. Nicht der Unfall regte ihn auf. Obwohl er selbst seit langem nicht mehr jagte, war er doch in jungen Jahren ein eifriger Jäger gewesen; was ihn bedrückte, war nach seiner eigenen Erklärung Bertrams Mangel an Offenherzigkeit, der den Jungen bewogen hatte, ohne Erlaubnis, ja ohne seinem Vater von seinen Absichten zu sagen, davonzulaufen. Ein solches Verhalten konnte der Vikar nicht verstehen, denn er war doch gewiß kein tyrannischer Vater; und wußten seine Söhne etwa nicht, daß er ihnen vernünftige Vergnügungen gönnte? Er war verstört, fand sich in seiner Welt nicht mehr zurecht und bat Bertram herzlich, ihm doch zu erklären, was ihn zu einem solchen Betragen gebracht hatte. Anderseits war es ganz unmöglich, Papa zu erklären, warum einer lieber schwänzte und hernach die Folgen auf sich nahm, als die Erlaubnis zu etwas einholte, was dem Vater voraussichtlich mißfiel.
»Wie kann man Vater überhaupt etwas erklären?« fragte Bertram ratlos. »Er würde nur unglücklich dreinschauen, eine Predigt mit Donner und Blitz loslassen, und man käme sich selber wie ein Erzbiest vor.«
»Ich verstehe«, sagte Arabella mitfühlend. »Jetzt ist er so traurig, weil er sich nun einbildet, daß du Angst vor ihm hast und darum nicht wagst, von ihm etwas zu erbitten. Natürlich kann man ihm nicht erklären, daß es nicht daran liegt.«
»Er würde es nicht verstehen, wenn man es versuchte«, bemerkte Sophia.
»Na, siehst du«, sagte Bertram. »Und man kann es gar nicht. Wie würde ich denn dastehen, wenn ich ihm sagte, daß ich ihn nicht darum gebeten habe, weil er ja doch nur eine ernste Miene aufgesetzt und erklärt hätte, ich müsse selber wissen, was ich zu tun hätte; und das richtige Gefühl müßte mir eingeben, was besser wäre, Vergnügungen nachzujagen oder an meine Examina zu denken – nun, ihr könnt euch ja vorstellen, wie er in solchen Fällen spricht! Das Ende wäre auf jeden Fall gewesen, daß ich nicht gegangen wäre. Ich halte diese Moralpredigten nicht aus.«
»Ja«, bestätigte Sophia, »aber das Schlimmste daran ist, daß er bei dem geringsten Ärger gleich ganz trostlos wird und meint, wir alle wären kopflos und verwöhnt, und das müsse natürlich seine Schuld sein. Hoffentlich verbietet er dir nicht jetzt wegen Bertrams Narrheit die London-Reise, Bella!«
»Was für ein Riesenunsinn!« rief Bertram zornig. »Warum sollte er das, zum Teufel?«
Gewiß schien diese Besorgnis unbegründet, aber als die jungen Leute dem Vikar das nächste Mal begegneten, am Familientisch, zeigte seine Miene tiefe Melancholie, und es war klar, daß ihm auch das harmlose Geplauder des jungen Volks nicht über seine Betrübnis hinweghalf. Eine unbedachte Frage Margarets, welche Farbe man für die Bänder von Arabellas zweitbestem Ballkleid gewählt hätte, veranlaßte ihn zu der Bemerkung, allem Anschein nach sei von allen seinen Kindern nur James nicht völlig dem Leichtsinn und der Frivolität verfallen. Rings um ihn gab es nur mehr Charakterschwäche; und wenn er so recht bedenke, daß der bloße Gedanke an eine Londoner Reise seine Töchter dem Modewahn auslieferte, müsse er sich fragen, ob es dann noch richtig sei, Arabella diese Reise überhaupt zu gestatten.
Ein Augenblick des Nachdenkens hätte Arabella überzeugt, daß sie es hier nur mit einer Nervenreizung zu tun hatte, aber ihr schlimmster Fehler war, wie Mama oft bemerkte, die Heftigkeit, die sie in mancherlei schwierige Situationen brachte. Der Schrecken über die Worte des Vikars
Weitere Kostenlose Bücher