Die bezaubernde Arabella
Überzeugung, einen vollendeten Gentleman vor sich zu haben, zu der peinlichen Entdeckung genötigt, daß er eigentlich doch nur ein einfältiger, närrischer Geck sei, und nun sollte sie plötzlich den ganzen Weg wieder zurücklaufen: das war zuviel für die arme Kleine. Sie wußte nicht, was sie denken sollte, konnte es sich aber doch nicht versagen, ihm einen dankbaren Blick zuzuwerfen. Sein Blick begegnete dem ihren, aber nur so flüchtig, daß sie nachher nicht hätte sagen können, ob sie darin den Schimmer eines belustigten Lächelns erraten oder sich alles nur eingebildet hatte.
Brough nahm jetzt an der Tür eine Meldung entgegen und berichtete, daß Ma’ams Groom anfragen lasse, wann Ma’am die Fahrt nach Grantham fortzusetzen wünsche.
»Das hat noch Zeit«, sagte Mr. Beaumaris und füllte Arabellas Glas nach. »Sie nehmen noch ein wenig Rheinwein-Creme, Miss Tallant?«
»Wie lange«, fragte Arabella, »wird die Reparatur meines Wagens dauern?«
»Wenn ich richtig verstanden habe, Miss, muß ein neuer Langbaum eingesetzt werden. Wie lange das dauert, kann ich allerdings nicht sagen.«
Ein leichtes Hüsteln Miss Blackburns deutete ihr Unbehagen an. Mr. Beaumaris sagte: »Ein ärgerlicher Unfall, aber ich bitte Sie, nicht die gute Laune zu verlieren. Ich schicke Ihnen meinen Reisewagen, er wird Sie morgen in Grantham zur gewünschten Stunde abholen.«
Arabella dankte ihm, lehnte das Angebot aber ab, da man gewiß auch so ans Ziel kommen werde. Erwies sich die Arbeit des Stellmachers zu zeitraubend, so konnte man die Reise ja mit der Schnellpost beenden. »Es wird ein interessantes Erlebnis sein«, erklärte sie unbefangen. »Meine Freunde versichern mir immer wieder, daß ich in mancher Beziehung viel zu altmodisch bin – man soll, höre ich, in gemieteten Fuhrwerken alle erdenkliche Bequemlichkeit finden.«
»Wir haben sonst vieles gemeinsam, Ma’am«, versicherte Mr. Beaumaris, »nur kann ich nicht gestatten, daß Sie eine Abneigung gegen gemietete Wagen altmodisch finden. Sprechen wir es doch lieber offen aus, daß es uns, die wir eigene Wagen besitzen, auf der Welt eben ein wenig besser geht als unseren Mitmenschen.« Damit wandte er sich dem Kammerdiener zu. »Lassen Sie dem Stellmacher sagen, Brough, daß ich ihm sehr zu Dank verpflichtet sein werde, wenn Miss Tallants Wagen mit äußerster Schnelligkeit repariert wird.«
Miss Tallant konnte ihm nur für seine Gefälligkeit danken und ihre Rheinwein-Creme schlecken. Nachdem das getan war, erhob sie sich vom Tisch, erklärte, die Gastfreundlichkeit Mr. Beaumaris’ nun schon zu lange mißbraucht zu haben und Abschied nehmen zu wollen.
»Die Dankesschuld ist wirklich ganz auf meiner Seite, Miss Tallant«, erwiderte er. »Es war ein Glücksfall, daß ich Ihre Bekanntschaft machen durfte, und ich hoffe ernstlich, daß ich mir das Vergnügen nehmen darf, schon bald in London meine Aufwartung zu machen.«
Diese Ankündigung versetzte Miss Blackburn in Verwirrung. Als sie Arabella die Treppe hinuntergeleitete, flüsterte sie Miss Tallant zu: »Liebste, wie konnten Sie nur? Jetzt will er Sie in London aufsuchen, und Sie haben ihm doch eingeredet, ach Gott, ach Gott, was würde Ihre Mama davon halten?!«
»Puh«, erwiderte Arabella unbekümmert. »Wenn er wirklich so reich ist, so ist ihm das gleichgültig, und er denkt auch nie wieder daran.«
»Wenn er das ist – heiliger Himmel, Miss Tallant, er ist unzweifelhaft einer der reichsten Männer im Land! Als ich erfuhr, daß er wirklich Mr. Beaumaris ist, bin ich beinahe in den Erdboden versunken.«
»Nun«, antwortete Arabella beherzt, »wenn er wirklich so groß und allmächtig ist, dann können Sie sich darauf verlassen, daß er nicht im entferntesten daran denkt, mir in London seine Aufwartung zu machen. Und das hoffe ich auch, denn ich finde, er ist ein ganz widerwärtiger Mensch.«
Davon ließ sie sich auch nicht abbringen, wollte auch nicht zugeben, daß Mr. Beaumaris nicht den geringsten Verstoß gegen die Pflichten eines Gentleman begangen hatte. Sie erklärte rundheraus, daß sie ihn nicht hübsch fände und daß ihr Dandies überhaupt widerwärtig wären. Miss Blackburn wurde von der Angst ergriffen, Arabella könnte in solcher Laune beim Abschied ihre Abneigung offen zeigen, und beschwor sie, wenigstens .die einfache Höflichkeitspflicht zu erfüllen. Ein Wort von ihm, so fügte sie hinzu, würde genügen, einer jungen Lady alle Türen zu verschließen. Gleich darauf aber bedauerte
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