Die bezaubernde Arabella
aber du darfst dir nicht einbilden, daß gute Partien überall aus dem Erdboden schießen. Besonders für eine, mein Liebchen – ich weiß, daß ich dir das offen sagen darf –, die keine Mitgift zu erwarten hat.«
Arabella wollte gegen die gefestigten Anschauungen Ihrer Ladyschaft nicht protestieren und biß sich nur auf die Lippen. Glücklicherweise war Lady Bridlington nicht nachträgerisch, und da ihr eben der Name einer sehr wichtigen Dame einfiel, die unbedingt noch auf die Liste gesetzt werden mußte, vergaß sie Arabellas Heiratschancen und erklärte ihr, was für eine Narrheit es wäre, Lady Terrington zu vergessen. Mr. Beaumaris wurde nicht mehr erwähnt, und Ihre Ladyschaft begann Arabella allerlei gesellschaftliche Veranstaltungen zu erklären, die demnächst bevorstanden. Obwohl die Season noch nicht richtig begonnen hatte, stand so viel auf dem Programm, daß Arabella ganz schwindlig wurde, und sie konnte sich nur fragen, wie ihre Gastgeberin in all diesem Trubel Zeit finden sollte, sie sonntags zur Kirche zu begleiten. Wenn sie aber zweifelte, ob Lady Bridlington überhaupt zur Kirche ging, so tat sie ihr unrecht. Lady Bridlington hätte es für höchst ungeziemend gehalten, sich nicht jeden Sonntagmorgen in ihrer Kirche zu zeigen. Etwas anderes war es, wenn sie, oft genug, in die Hofkapelle fuhr, wo es nicht nur eine vortreffliche Predigt zu hören gab, sondern wo sie auch ihre vornehmsten Freunde und oft Angehörige des königlichen Hauses sehen konnte. Diese glückliche Gelegenheit ereignete sich an Arabellas erstem Sonntag in London, und darüber berichtete ein Brief an die neugierigen Brüder und Schwestern in Yorkshire, der auch eine sehr kunstvolle Schilderung des Hyde Park, der St.-Pauls-Kathedrale und eine lebhafte Darstellung des Londoner Straßenlebens enthielt.
»Dem Morgengottesdienst wohnten wir in der Hofkapelle bei«, schrieb Arabella mit ihrer feinen, winzigen Handschrift, kreuz und quer, auf Dünnpapier: »Wir hörten eine wundervolle Predigt über eine Stelle aus dem zweiten Brief an die Korinther, bitte, sagt das Papa: Wer viel gesammelt, der hätte keinen Überfluß; wer wenig nur gesammelt hatte, der litte keinen Mangel. London ist noch verhältnismäßig still« – nicht umsonst hatte Arabella aufmerksam dem Geplauder ihrer Patin gelauscht –, »aber es waren eine Menge fashionabler Leute zugegen, darunter der Herzog von Clarence, der nachher zu uns trat und sehr huldvoll war, durchaus nicht hochnäsig.« Arabella unterbrach sich, kaute an ihrer Feder und dachte an den Herzog von Clarence. Papa mochte es nicht recht sein, wenn die königliche Hoheit hier beschrieben wurde, aber Mama und Sophy und Margaret würden gewiß gern hören, wie er aussah und was er gesprochen hatte. So beugte sie sich wieder über ihren Brief. »Hübsch ist er eigentlich nicht«, schrieb sie zurückhaltend, »aber er hat etwas Wohlwollendes an sich. Sein Kopf ist etwas mißförmig, und er neigt zur Fettleibigkeit. Beim Sprechen ließ er mich an meinen Onkel denken, er redet genau so, auch so laut, und er lacht viel. Mich beehrte er mit der Bemerkung, daß ich da einen Hut trüge, der mir sehr gut stünde: das wird Mama freuen, denn es war der mit den rosa Federn, den sie mir gesteckt hat.« Über den Herzog von Clarence war nichts weiter zu sagen, höchstens, daß er auch in der Kirche ganz laut schwatzte, und solch eine Information mochte im Pfarrhaus nicht gefallen. So überflog sie das bereits Geschriebene und meinte, es könnte Mama und die Mädchen enttäuschen. Also fügte sie noch eine Zeile hinzu: »Lady Bridlington sagt, daß er bei weitem nicht so fett ist wie der Prinzregent oder der Herzog von York.« Mit dieser erquickenden Feststellung schloß sie den Absatz und wandte sich einem anderen Gegenstand zu.
»Ich gewöhne mich schon an London und beginne mich in den Straßen auszukennen, obwohl ich natürlich nie allein ausgehe. Lady Bridlington läßt mich immer von einem Lakaien begleiten, ganz wie Bertram es vorausgesagt hat, aber ich sehe, daß die jungen Frauenzimmer heutzutage viel allein ausgehen, allerdings sind es vielleicht nicht solche du haut ton. Du haut ton sein ist sehr wichtig, und ich bin beständig in Angst, irgend etwas Unschickliches zu tun, zum Beispiel, die St. James Street hinunterzugehen, in der alle die Herrenklubs sind. Lady Bridlington gibt eine Abendgesellschaft, um mich mit ihren Freunden bekannt zu machen. Alle sind so bedeutend und fashionable und dabei doch
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