Die bezaubernde Arabella
wohlverstanden. Die Season hat noch nicht begonnen, es sind noch nicht gar viele Leute in London. Das ist günstig, denn du bist noch nicht an unsere Art hier gewöhnt, und eine kleine Gesellschaft – kein Ball, sondern eine Abendgesellschaft, allenfalls mit Musik und Kartenspiel – ist wohl das richtige für dein erstes Auftreten. Ich will dazu nur einige meiner intimsten Bekannten einladen, Leute, die dir auf deinem weiteren Weg nützlich sein können. So wirst du ein paar junge Ladies und natürlich auch einige Gentlemen kennenlernen und wirst dich, wenn ich dich zu Almack oder auf einen großen Ball bringe, gleich sicherer fühlen. Nichts ist peinlicher, als in eine große Gesellschaft zu geraten, in der man kein einziges Gesicht kennt.«
Arabella glaubte ihr das gern und billigte diesen Vorschlag. »Ach ja, das ist es genau, was mir recht wäre, denn ich werde zuerst ein wenig unbeholfen sein. Trotzdem glaube ich, daß ich mich rasch zurechtfinden werde.«
»Aber gewiß«, strahlte Ihre Ladyschaft. »Du bist ein gescheites Mädchen, Arabella, und ich hoffe bestimmt, daß ich dich gut unterbringe, so wie ich es deiner Mama versprochen habe.« Sie sah Arabella erröten und fügte hinzu: »Du hast doch nichts dagegen, liebes Kind, daß ich die Dinge beim Namen nenne? Schließlich bist du dir doch darüber im klaren, wie wichtig es ist, dich anständig unter die Haube zu bringen. Acht Kinder! Nicht auszudenken, wie deine arme Mama für deine Schwestern brauchbare Männer herbeischaffen soll! Und die Jungen, die liegen einem gar erst auf der Tasche! Ich mag gar nicht mehr daran denken, was mein guter Frederick uns die ganze Zeit über gekostet hat! Erst das eine, dann das andere, immer etwas!«
Arabellas Miene wurde ernst, als sie an die mannigfachen Nöte ihrer Brüder und Schwestern dachte. So sagte sie feierlich: »Das ist wohl sehr wahr, und ich will bestimmt mein Bestes tun, Mama nicht zu enttäuschen.«
Lady Bridlington beugte sich vor, um ihr wohlgepolstertes Patschhändchen auf Arabellas Hand zu legen. »Ich habe doch gleich gewußt, daß du die Sache richtig ansehen würdest! Aber da fällt mir noch etwas ein, was ich dir sagen wollte.« Sie lehnte sich wieder zurück, spielte einen Moment lang mit den Fransen ihres Schals und sagte dann, ohne Arabella anzusehen: »Du verstehst, meine Liebe, daß alles von dem ersten Eindruck abhängt, den man erweckt – wenn nicht alles, so doch mindestens sehr viel. In der Gesellschaft ist alle Welt darauf aus, passende Partien für die Töchter zu finden, und es gibt so viele hübsche Mädchen, unter denen die Gentlemen zu wählen haben. Da ist es wirklich höchst wichtig, daß du genau das Richtige tust und sagst. Darum möchte ich dich in aller Stille in die Gesellschaft einführen, und ich möchte es erst tun, wenn du dich in London einigermaßen sicher fühlst. Du mußt nämlich wissen, daß nur Mädchen vom Lande offen ihr Staunen zeigen. Und ich weiß nicht, warum es so ist, aber es ist so, und du magst es mir glauben: die Unschuld vom Land ist keineswegs, was die Gentlemen suchen.«
Arabella war überrascht, denn in Romanen hatte sie es ganz anders gelesen. Sie wollte das erwähnen, aber Lady Bridlington schüttelte abwehrend den Kopf. »Nein, mein Liebchen, so ist es nicht! In einem Roman liest sich das ganz schön, und ich habe selber viel für Romane übrig, aber mit dem wirklichen Leben haben Romane nichts zu tun, verlaß dich darauf. Doch das ist nicht, was ich dir sagen wollte.« Wieder spielte sie mit den Fransen, dann brach ihre Beredsamkeit sich Bahn: »Ich würde an deiner Stelle nicht immer über Heythram und das Pfarrhaus sprechen. Halte dir vor Augen, daß es nichts Lästigeres gibt, als Geschichten über Leute anhören zu müssen, die man gar nicht kennt. Und obwohl du bestimmt nicht in den Fehler verfällst, von der Wahrheit abzuweichen… nun, es ist ganz unnütz, jedermann… nun ja, jedermann… zu erzählen, in welcher Lage dein Papa sich befindet. Ich habe kein Wort fallen lassen, aus dem jemand schließen könnte, daß er… nicht gerade im Wohlstand lebt. Glaube mir, Arabella, es würde deine Chancen fatal herabmindern, wenn bekannt würde, daß du fast nichts zu erwarten hast.«
Arabella war eben im Begriff, schärfer zu antworten, als es ihr die Höflichkeit auferlegte, aber da fiel ihr ein, wie sie sich in Mr. Beaumaris’ Haus benommen hatte, und diese Erinnerung lähmte sie. Sie ließ den Kopf hängen, blieb still und überlegte,
Weitere Kostenlose Bücher