Die bezaubernde Arabella
bedachte, kam ihr in den Sinn, wie viele unschuldige Mädchen ihm schon zum Opfer gefallen waren, und ihre Überzeugung befestigte sich, daß Arabella unbedingt vor einem Gleichen bewahrt werden mußte. So sagte sie ernsthaft und mit besorgtem Blick: »Ich bin natürlich überzeugt, mein Liebes, daß du ein viel zu vernünftiges Mädchen bist, um dir den Kopf verdrehen zu lassen. Ich vertrete aber jetzt an dir Mutterstelle, das weißt du, und so muß ich dir wohl sagen, daß Mr.
Beaumaris ein höchst gefährlicher Flirt ist. Niemand kann mehr darüber entzückt sein als ich, daß er dich so bevorzugt hat, aber es wird nicht gut sein, Liebste, wenn du jetzt etwa gar ein tendre für ihn faßt. Ich weiß, bei dir genügt ein Wort, und gekränkt wirst du auch nicht sein. Er ist ein hartgesottener Junggeselle. Wieviel Herzen der schon gebrochen hat, ich wüßte dir die Zahl gar nicht zu sagen! Die arme Theresa Howden – sie hat dann später Lord Congleton geheiratet – geriet in die ärgste Herzensnot und war die Verzweiflung ihrer tiefbetrübten Eltern. Die dachten – eine ganze Season lang hatte es ja auch so den Anschein – und dann kam gar nichts heraus, einfach gar nichts!«
Arabella war nicht im Umkreis von zwanzig Meilen rund um Heythram die anerkannte Schönste gewesen, ohne zu erfassen, was ein Flirt und was Ernst war. So antwortete sie ohne Zögern: »Mir ist völlig klar, daß Mr. Beaumaris’ Komplimente nichts bedeuten. Nein, ich bin weiß Gott kein Gänschen, dem man den Kopf verdreht.«
»Nun, hoffentlich bist du es nicht!«
»Darauf können Sie sich verlassen. Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich Mr. Beaumaris’ Aufmerksamkeit eher ermutigen und dann soviel Nutzen wie möglich daraus ziehen. Er selbst mag glauben, daß er sich auf meine Kosten amüsiert; ich werde mich schon revanchieren. Mein Herz verliere ich dabei nicht – wahrhaftig nicht!«
»Wir können uns nicht darauf verlassen, daß er dich dauernd so bevorzugt«, sagte Lady Bridlington vorsichtig. »Täte er es, so wäre es außergewöhnlich, aber dazu wird es wohl nicht kommen. Übrigens war, was da gestern abend geschah, hinreichend, dich in Mode zu bringen, mein Liebchen, und dafür weiß ich ihm Dank.« Sie seufzte tief. »Du wirst in alle großen Häuser eingeladen werden, das möchte ich wetten.«
Und damit hatte sie vollauf recht. Binnen vierzehn Tagen war es so weit, daß sie für einen einzigen Abend fünf Verpflichtungen hatte, und Arabella mußte Sir Johns Fünfzigpfundnote wechseln, um ihre Garderobe aufzufüllen. Sie war gesehen worden, wie sie zur fashionablen Stunde auf der Parkpromenade an der Seite des Nonpareil in seinem hochräderigen Phaeton saß; im Theater war sie von einem schier undurchdringlichen Kreis von Bewunderern umgeben gewesen; mit allen Leuten, die irgend etwas galten, stand sie auf Grußfuß; zwei Heiratsanträge waren ihr gemacht worden; Lord Fleetwood, Mr. Warkworth, Mr. Epworth, Sir Geoffrey Morecambe und Mr. Alfred Somercote, um nur die beachtlichsten unter ihren Verehrern zu nennen, bildeten eine Front gegen Mr. Beaumaris; und Lord Bridlington war mit der Eilpost vom Kontinent heimgekehrt, um herauszubringen, warum seine Mutter jn seiner Abwesenheit das Haus mit unbekannten Frauenspersonen anfüllte.
In beherrschten Worten brachte er eindeutig zum Ausdruck, daß Lady Bridlingtons Erklärung ihn keineswegs befriedigte. Er war ein untersetzter, etwas zu selbstbewußter junger Mann, vielleicht zu nüchtern für seine sechsundzwanzig Jahre. Er war nicht gerade schwerfällig, aber zu sehr in seine Bücher vergraben; hatte sich frühzeitig daran gewöhnt, sich in allen Lebenslagen Information und Richtschnur aus den verläßlichsten Quellen der Weltliteratur zu besorgen, so daß mit der Zeit sein Gedächtnis mit einer Unmenge von Grundsätzen belastet wurde, die er nur zu bereitwillig seinen minder belesenen Zeitgenossen zur Verfügung stellte. Der frühe Tod des Vaters, zu Zeiten, da er selbst noch in Eton geweilt, sowie die Überzeugung, daß seine Mutter männlicher Führung bedurfte, hatte verhängnisvoll zur Herausbildung seines Selbstgefühls beigetragen. Er überschätzte seine Urteilskraft; war ein allzu behutsamer Verwalter seines Vermögens; empfand tiefe Abneigung gegen alles, was von der gewohnten Bahn abwich; hielt die jungen Leute, die sonst seine Freunde hätten sein können, für beklagenswert leichtsinnig. Das Entzücken seiner Mutter, daß sie zehn Tage lang nicht einen Abend
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