Die bezaubernde Rivalin
anlächelte. Aber wenn er sie jetzt weckte, würde sie nicht lächeln, sondern ärgerlich die Stirn runzeln.
„Guten Morgen, JD“, sagte Sally, als er im Vorstandssekretariat ankam. „Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?“
„Das ist nett, aber ich warte lieber, bis der Mann von der Bauaufsichtsbehörde wieder gegangen ist.“
„Oh, Sie haben ihn verpasst. Das Meeting ist auf sieben Uhr vorverlegt worden.“
Wie bitte? dachte Jordan. Während er sich der Vorstellung hingegeben hatte, mit einer nackten India Claibourne im Bett zu liegen, war sie längst aufgestanden und ihm jetzt einen Schritt voraus. „Auf wessen Wunsch hin ist das Meeting denn verlegt worden?“ Jordan bemühte sich, seine Verärgerung nicht zu zeigen.
„Ich weiß es nicht“, erklärte Sally, und Jordan dachte: Du willst es mir nur nicht sagen. „India hat mich gebeten, Sie an ihrer Stelle um Verzeihung zu bitten, dass Sie völlig umsonst so früh aufstehen mussten. Sie hatte Ihre Telefonnummer von zu Hause nicht, und über die Auskunft kann man sie nicht erfragen.“
„Und wo ist Miss Claibourne jetzt? Bei einem Meeting außer Haus? Ihr Wagen war nicht in der Garage.“
„Der ist in der Inspektion, und Miss Claibourne ist in der Kantine. Nachdem sie heute so früh aufstehen musste, frühstückt sie erst einmal richtig. Soll ich ihr Bescheid sagen, dass Sie da sind?“
„Nein danke, ich gehe selbst zu ihr, wenn Sie mir sagen, wo sich die Kantine befindet.“
„Im Erdgeschoss.“
Nachdem Sally ihm genau erklärt hatte, wie er zur Personalkantine kam, ging Jordan durchs gesamte Warenhaus. Überall herrschte schon reges Treiben, obwohl erst in zwei Stunden geöffnet wurde. Putzkolonnen wienerten die Böden, Mitarbeiter packten neue Ware aus und dekorierten sie ansprechend. Alles musste perfekt sein, wenn die Kunden kamen. Es war beinah wie im Theater, kurz bevor die Vorstellung begann. Und zum ersten Mal empfand Jordan etwas von dem Zauber, der India antrieb.
In der Kantine besorgte er sich einen Kaffee und ging zu Indias Tisch. Sie ließ sich ein englisches Frühstück schmecken und blätterte dabei in einer Akte, die sie offenbar so fesselte, dass sie nichts anderes wahrnahm. Erst als Jordan seine Kaffeetasse auf den Tisch stellte, sah India auf. Dabei strich sie sich eine Strähne hinters Ohr. Die ganze Nacht hatte sich Jordan vorgestellt, wie ihm ihr herrlich seidiges Haar ins Gesicht fiel, während sie auf ihm …
„Guten Morgen, Jordan.“
Anstatt ihren Gruß zu erwidern, hielt er India eine Visitenkarte hin. „Meine Telefonnummer, falls du in Zukunft wieder einmal einen Termin hast, der sich ändert.“
India ignorierte die Karte und sagte ungerührt: „Sally hat mich schon vor zehn Minuten angerufen, dass du hierherkommen wolltest. Hast du dich verlaufen?“
„Nein, ich habe die Rolltreppe benutzt und mich ein wenig auf jedem Stockwerk umgesehen. Ich war noch nie im Warenhaus, bevor es öffnet.“ Jordan setzte sich zu India an den Tisch und deutete auf den Ordner. „Außerdem wollte ich dir Zeit geben, alles wegzuräumen, was nicht für meine Augen bestimmt ist.“
„Ein echter Gentleman!“, sagte India spöttisch. „Ich fürchte nur, die Unterlagen hier sind nicht halb so interessant, wie du denkst. Es handelt sich um die Verkaufszahlen für Bademoden. Möchtest du vielleicht sehen, wie wir dastehen?“
„Ich kann bis Monatsende warten.“
„Wenn du deine Meinung änderst, brauchst du es nur zu sagen. Und bedien dich ruhig!“ Sie wies auf den Teller vor sich. „Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages.“
„Ich habe schon vor drei Stunden gefrühstückt“, sagte Jordan, nahm sich aber trotzdem eine Scheibe Toast. „Ich bin schon um fünf Uhr im Büro in der City gewesen. Wenn du mir Bescheid gesagt hättest, könnte ich jetzt noch da sein und würde hier nicht meine Zeit verschwenden.“
„Aber dann wäre dir das Vergnügen versagt geblieben, durchs Warenhaus zu schlendern, bevor es öffnet. Ich finde, es hat dann immer etwas vom Einstimmen der Instrumente vor einem Konzert.“ India legte eine Pause ein, bevor sie mit einer lässigen Handbewegung hinzufügte: „Das ist sicher ein bisschen zu schwärmerisch für einen hart arbeitenden Spekulanten.“
„Allerdings.“
„Hätte ich gewusst, dass du im Büro bist, hätte ich dich dort angerufen.“ Mit einem Lächeln fügte sie hinzu: „Aber irgendwie hast du mir gestern zu verstehen gegeben, dass du mich während meines
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