Die bezaubernde Rivalin
entdecke.“
„Danke.“
Obwohl India so wenig im Archiv hatte erreichen können, ging sie geradezu beschwingt die Treppe hinauf. Dabei überlegte sie, ob Jordan wohl wieder da wäre. Unglaublich!
Von dem Tag an, als die „Post“ sie als neue Vorstandsvorsitzende von C & F vorgestellt hatte, war sie von ihm auf Trab gehalten worden. Wenige Stunden nach Erscheinen der Zeitung hatte eine einstweilige Verfügung von Jordans Anwälten auf ihrem Schreibtisch gelegen. Und obwohl er der Feind war, hatte er jetzt etwas bei ihr erreicht, das noch keinem anderen gelungen war: Sein Kuss hatte sie so aufgewühlt, dass sie kaum an etwas anderes denken konnte.
Was hieß denn jetzt „später“? Wann kam Jordan wieder?
India war in der Eingangshalle angelangt und wurde von der Empfangsdame aufgehalten. „Entschuldigung, Miss Claibourne, aber der Eilkurier da sagt, Sie müssten noch den Empfang des Schreibens quittieren.“ Die Frau sah den wartenden Mann an, als wäre er derjenige, der sich zu entschuldigen hatte. „Sie müssen persönlich unterschreiben, Miss Claibourne.“
India setzte ihre Unterschrift auf den Empfangsschein und nahm den Umschlag entgegen. Als sie sah, wer ihn ihr geschickt hatte – JD Farraday –, war es mit ihrer guten Laune vorbei. Sie hatte Jordan doch noch vor einer Stunde gesehen. Was konnte denn da so wichtig sein, dass er es ihr jetzt per Kurier schickte? War das wieder ein Brief seiner Anwälte, der sie ein für alle Mal aus ihrer Position hebeln sollte?
Ungeduldig riss sie den Umschlag auf und entdeckte darin ein Kuvert aus feinstem Büttenpapier. Darauf stand in Großbuchstaben ihr Vorname: INDIA. Von einem Anwalt war das Schreiben auf jeden Fall nicht, und als sie die Lasche aufriss, zitterten ihr die Hände. Im Umschlag fand sie dann zwei Eintrittskarten für ein schon seit Wochen ausverkauftes Konzert einer sensationellen jungen Geigerin.
Auf dem beiliegenden Mitteilungskärtchen stand geschrieben:
Um neunzehn Uhr bin ich auf der Terrasse vor der Konzerthalle.
Jetzt wusste India, was Jordan mit „später“ gemeint hatte.
Jordan lehnte am Geländer der Terrasse der Festhalle und sah auf die Themse. Aber er nahm nichts wahr, fragte sich nur, ob India überhaupt kommen würde. Dabei versuchte er, sich davon zu überzeugen, dass die Einladung nur Teil seines Demütigungsplans war.
Mit der Konzertkarte verhielt es sich wie mit den Ködern beim Angeln: Um einen bestimmten Fisch zu fangen, musste man nur den richtigen auslegen. Und er, Jordan, hatte seine Hausaufgaben gemacht. Lange bevor India ihm erzählt hatte, dass sie ein Klassikfan sei, war er darüber informiert gewesen und hatte die Karten bestellt.
Doch jetzt war sie schon zehn Minuten zu spät dran – elf. Jordan drückte die Schultern durch, fuhr sich durchs Haar und dann übers Gesicht, als könnte er so das Gefühl des Bedauerns wegwischen, das sich allmählich in ihm auszubreiten begann. Die Befürchtung, das India nicht kommen könnte, wurde immer stärker und steigerte seine Sehnsucht. Wenn India nicht kam, hätte er mehr als nur ein Spiel um die Vormachtstellung verloren. Doch als er sich schließlich vom Geländer abwandte, sah er sie.
Groß, mit ihrem dunklen Haar und den exotischen Augen kam sie auf ihn zu und sah umwerfend schön aus. Sie trug eine am Hals hochgeschlossene Seidenjacke mit Goldstickerei, die in der Abendsonne glänzte. Die dazu passende Hose war ebenfalls mit Goldfäden verziert und das ganze Ensemble, wie könnte es anders sein, in Weinrot gehalten.
Natürlich hatte sich India diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, die C & F-Farben zu tragen und damit ihren Standpunkt deutlich zu machen und ihre Position zu unterstreichen. Aber das war ihm jetzt egal. Ob sie es nun wusste oder nicht, sie befand sich bereits unter seinem Einfluss: Er hatte gerufen, und sie war gekommen.
Aber warum hatte er dann nicht das Gefühl, einen Teilsieg errungen zu haben?
„Es tut mir leid, es hat unterwegs einen Unfall gegeben“, erklärte India ihre Verspätung, sobald sie in Hörweite war. „Der Taxifahrer ist beinah ausgerastet.“
„Du bist immer noch in der Zeit“, sagte Jordan und beugte sich vor, um India einen Handkuss zu geben. Dabei atmete er ihr Parfüm ein: ein Jasminduft, passend zu ihrem Orientlook. Als er daraufhin die Hennabemalung auf ihrer Hand sah, stellte er sich vor, wie India ihn damit überall berührte. Das zeigte sofortige Wirkung, und um sich abzulenken, schlug er vor: „Wir
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