Die bezaubernde Rivalin
Jahre alt und habe ihr mehr Scherereien gemacht als alles andere.“ Er schwieg kurz, bevor er fortfuhr: „Und dann gab’s da noch jemanden. Einen Mann mit breiten Schultern zum Ausweinen.“
„Jemand, dem sie vertraut hat?“
Jordan nickte und fügte grimmig hinzu: „Wir machen alle mal Fehler.“
„Oh!“ India wandte den Blick ab und sah zum Fluss hinunter, der genauso dunkel und geheimnisvoll war wie viele Familienangelegenheiten.
Nach einer Weile sagte Jordan: „Du wolltest mir etwas von deiner Mutter erzählen. Heißt sie nicht Pamela und ist Eurasierin?“
„Ja.“ India war froh, das Thema zu wechseln, auch wenn ihre Erinnerungen an die Vergangenheit nicht angenehmer waren als Jordans. „Ich weiß von meiner Mutter nur, was man mir erzählt hat. Sie ist ein Blumenkind gewesen, das sein erstes Kind erwartet hat und sich wahrscheinlich schon als große Urmutter sah. Vielleicht hätten sich ihre Träume auch erfüllt, wenn meine Eltern in Indien geblieben wären und nach ihren Vorstellungen hätten leben können. Aber über Nacht änderte sich zunächst das Leben meines Vaters. Er ließ die Blumen Blumen sein, ließ sich die Haare schneiden und heiratete am Ende auch noch meine schwangere Mutter, weil das Establishment es so wollte.“ Während India das sagte, dachte sie: Für ihn ist es eigentlich kein so großer Wandel gewesen. Er kehrte nur zu dem zurück, was er bereits kannte. Aber ihre Mutter musste die Wärme und Sonne Indiens aufgeben, um sie gegen die Kälte und Nässe Londons einzutauschen. Dafür bekam sie nur eine Schwiegermutter, die mindestens genauso kalt war wie das englische Winterwetter. India seufzte. „Und dann hat mein Vater seinen rechtmäßigen Platz als Erbe angetreten.“
„Du gibst also zu, dass es sein Recht war, den Vorstandsvorsitz zu übernehmen?“
Jordans Sinneswandel kam so plötzlich, dass India beinah gesagt hätte, was Jordan hören wollte. Damit hätte sie natürlich indirekt seinem eigenen Anspruch stattgegeben. Sie zog sich aus der Affäre, indem sie erklärte: „Das ist eine Frage, auf die jede Antwort falsch wäre.“ Aus den Augenwinkeln warf sie Jordan einen Blick zu. Er hatte gerade sein Hotdog aufgegessen, knüllte die Papierserviette zusammen und steckte sie in die Tasche. „Na, das wird dir aber leidtun, wenn du morgen deinen Kleiderschrank öffnest.“
„Es tut mir jetzt schon leid. Machst du das oft, hierher gehen und Hotdogs essen?“
„Nein, es gibt nicht viele Männer, die so nachgiebig sind wie du.“ Beinah hätte sie gesagt „unerwartet romantisch“. Oder meinte sie „aufgesetzt romantisch“? Ein nachgiebiger Mann wollte immer etwas von einer Frau.
Jetzt legte Jordan ihr zwei Finger unters Kinn und drehte ihren Kopf so, dass das Licht der Straßenlaterne auf ihr Gesicht fiel. „Warum sind wir hier, India?“, fragte er dann ganz zärtlich. Inzwischen war es dunkel geworden, der Fluss glitzerte im Schein der Straßenbeleuchtung, und sie, India, würde gleich von einem Mann geküsst … der dummerweise beabsichtigte, ihr danach das Warenhaus – ihren Lebensinhalt – wegzunehmen. Längst hatte sie ihn durchschaut und wusste genau, dass er versuchte, sie zu umgarnen. Was würde wohl geschehen, wenn sie versuchte, auf der gleichen Schiene zu fahren? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
„Du willst also wissen, warum wir hierhergekommen sind, Jordan? Ich belohne dich für einen wundervollen Abend, indem ich mir deine Anwesenheit zunutze mache und mit dir am Flussufer spazieren gehe, was ich allein nicht hätte tun können.“ Sie senkte die Lider, um sie dann genauso schnell wieder aufzuschlagen und ihm tief in die Augen zu sehen. „Hast du etwas dagegen, Darling?“
Jordan erstarrte und ließ die Hände sinken. „Ganz und gar nicht“, sagte er kühl. „Ein Spaziergang vor dem Schlafengehen macht den Kopf frei.“
Oje, sie hatte mit ihrer Vermutung falsch gelegen! Egal, was bisher zwischen ihnen gewesen war, aber heute Abend hatte Jordan nicht mit ihr gespielt. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als ihr kokettes Getue ungeschehen machen zu können. Aber im Leben bekam man nur selten eine zweite Chance. Sie hatte Jordan testen wollen und musste nun mit dem Ergebnis leben.
India zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen und zurückzugehen. Jordan kam sogar mit, aber diesmal nahm er sie nicht beim Arm.
Während sie nebeneinander her gingen, gähnte geradezu ein Abgrund zwischen ihnen, und India hatte
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