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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nuernberger
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sein großes «Hier nicht!».
    Die Herrschaft des Rechts der Stärkeren mag den anderen als natürlich erscheinen, als göttlich akzeptieren wir sie nicht, sagte Israel. Wenn diese einfältige Lösung des Problems des menschlichen Zusammenlebens rings um uns her und auf der ganzen Welt als der Weisheit letzter Schluss gilt, dann soll es bei uns damit ein Ende haben. Und wenn alle Welt glaubt, dass es zum herrschenden Modell keine praktikable Alternative gebe, dann werden wir der Welt beweisen, dass es eine gibt. Bei uns herrscht kein Despot, sondern Gott. Wir haben keinen König, brauchen keinen König, keinen Staat und keinen Führer, weil Gott unser Führer ist. Die Stämme und Sippen schlossen sich freiwillig zusammen – als Gegenmodell zu den kanaanäischen Königsdiktaturen.
    Ab jetzt, so sagte Israel, gibt es eine Alternative, und das sind wir. Die anderen beten viele Götter an, wir nur einen. Die anderen danken Gott für den Weizen, die Ernte, den Kindersegen, wir danken Gott für die Herausführung aus Ägypten, die Zehn Gebote und das Gesetz. Die anderen glauben an die ewige Wiederkehr des Gleichen, wir glauben an eine nach vorn offene Geschichte mit Gott. Die anderen vergaßen ihre Herkunft, und je mehr Macht sie hatten, desto mehr logen sie ihre Abstammung zum Himmel empor. Israel vergaß nie, woher es kam. Israels Herkunft von ganz unten war und blieb Mittelpunkt seines regelmäßig wiederholten Urbekenntnisses.
Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten herausgeführt hat, aus dem Sklavenstaat
, so werden die Zehn Gebote eingeleitet. Der Kern dieser Gebote ist keine Neuerfindung des Gottesvolkes. Dass man nicht lügen, nicht stehlen, nicht morden und nicht betrügen soll, galt schon lange vor den Juden in anderen Kulturen ebenso. Aber diese «Allerweltsethik» wird von den Juden in drei Punkten entscheidend umgeformt: Erstens knüpft die jüdische Theologie die Zehn Gebote an den Exodus und die Wüstenzeit. Das Gesetz der Wüste   – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – soll auch im Kulturland weiter gelten. Zweitens weiß Israel, dass es diese Gebote nur halten kann, wenn es nicht seinen Willen, sondern Gottes Willen tut, deshalb geht es in den drei wichtigsten Geboten ausschließlich um das Verhältnis des Volkes zu seinem Gott – es soll keine anderen Götter neben ihm verehren, den Namen seines Gottes nicht missbrauchen und, das ist die dritte Neuerung, den Sabbat heiligen.
    Danach erst folgen die übrigen Gebote, die das Verhältnis der Menschen untereinander regeln. Aber auch diese Gebote werden nicht aus irgendwelchen Prinzipien abgeleitet, sondern aus der Urerfahrung Israels, dem Exodus.
    Wenn dich morgen dein Sohn fragt: Warum haltet ihr euch an die Satzungen, Gesetze und Rechtsbestimmungen, unter die der Herr, unser Gott, euch gestellt hat?, dann sollst du deinem Sohn antworten: Wir waren Sklaven des Pharao in Ägypten, und es war der Herr, der uns mit starker Hand aus Ägypten geführt hat.
So, sagt Gott, sollt ihr eure Kinder lehren, und diese sollen es ihren Kindern weitersagen.
    Nicht, um das Volk klein zu machen vor Gott, ist diese Erinnerung so wichtig, sondern um die Sozialordnung Gottes zu etablieren. Die Erfahrungen der Sklaven in Ägypten formen die Gesetze im Gelobten Land.
Den Fremdling sollst du nicht bedrängen noch bedrücken; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen im Land Ägypten
.
    Nicht dazuzugehören, von den herrschenden Mächten ausgeschlossen zu werden, vielen Herren dienen zu müssen, sein Leben am Rande etablierter Gesellschaften fristen zu müssen, «unten» zu sein, führt zu einer Existenzform, in der man aus großen Distanz auf «die da oben» schaut, und diese Distanz schärft den Blick.Das einst versklavte Volk hatte erkannt: Die Herrschaft der Starken über die Schwachen ist eine natürliche Folge der natürlichen Ungleichheit zwischen den Menschen. Es wird immer Menschen geben, die Glück haben, während andere vom Pech verfolgt sind. Die einen sind intelligenter, fleißiger, größer, schöner als die anderen. Daraus erwachsen Rivalität, Neid und Gewalt. Aber vor Gott sind alle gleich. Ihm ist jeder gleich viel wert, und das muss sich auswirken auf das Zusammenleben der Menschen. Also muss der Starke dem Schwachen helfen, statt ihn zu unterdrücken und auszubeuten. Also müssen die natürlichen Ungleichheiten so weit wie möglich korrigiert werden. Ohne Umverteilungen geht es nicht.
    Darum erfand Israel das «Sabbatjahr», ein sensationelles

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