Die Bibel
Pilatus. Und es gab einen jüdischen König von Roms Gnaden, Herodes der Große, der selbstverständlich, um in den Genuss der Königsprivilegien zu kommen, ein zynischer Opportunist sein und sich mit Rom gegen sein eigenes Volk verbünden musste.
Dass Rom Israel einen eigenen König zugestand, erscheint auf den ersten Blick liberal, zeigt aber in Wahrheit nur, wie ökonomisch die Supermacht zu denken gelernt hatte. Ein eigener König mindert die Aufsässigkeit des Volkes, und die dann immer noch übrig bleibende Aufsässigkeit verteilt sich auf zwei Schultern. Nur eine Hälfte richtet sich gegen Rom, die andere gegen den eigenen König, und dieser mag allein zusehen, wie er damit fertig wird.
Schlau war es auch, sich aus allen religiösen Fragen der Juden herauszuhalten und ihnen zu erlauben, ihre politischen Angelegenheiten selbst zu regeln, denn diese Toleranz ersparte der Supermacht den Einsatz von Geld, Zeit und Personal. Aus dem gleichen Grund überließ Rom den Juden auch einen großen Teil der Gerichtsbarkeit. Es konnte dem römischen Kaiser egal sein, wer unter ihm als König in der Provinz das unterworfene Volk kujonierte, solange er nur die dem Volk abgepressten Steuern ordnungsgemäß nach Rom abführte und dafür sorgte, dass niemand gegen die römische Oberherrschaft aufmuckte.
Daher pflügte Rom nur diese zwei Felder: die Sicherung seiner Herrschaft und die Sicherung seiner Geldströme. Für die Herrschaft hatte man Soldaten, fürs Geld ein ausgeklügeltes System aus Steuereintreibern, Aufsehern, Zuträgern und Spitzeln, die alle bis hinauf zum kaiserhörigen Königsvasallen an dem System verdienten.
Die Steuern mehrten den Reichtum und die Macht Roms und erlaubten der Oberschicht, sich zu kultivieren. Augustus förderte die Künste und Wissenschaften und befreundete sich mit den Dichtern Ovid, Horaz, Vergil und dem Geschichtsschreiber Livius, die wiederum von Augustus’ Freund und Ratgeber Maecenas großzügig unterstützt wurden. Augustus beeindruckte die Welt mit dem Bau kostbarer Tempel und öffentlicher Gebäude im ganzen Imperium. Unter seiner Herrschaft erlebte das Römische Reich eine Zeit des Friedens, der Stabilität, des Wohlstandes und der kulturellen Blüte.
Natürlich beruhte auch diese Kultur auf der Existenz von Sklaven, Leibeigenen und ausgebeuteten Bauern, Arbeitern und Handwerkern. Wer gegen die Staatsmacht aufbegehrte, bekam die ganze Härte des Systems zu spüren und erkannte das andere Gesicht der Freunde und Förderer der Künste und Wissenschaften. Schon aus geringen Anlässen bekam man die Peitsche zu spüren. Schnell landete man im Kerker, auf der Galeere oder zum Gaudium des Volkes unter den wilden Tieren in der Zirkus-Arena. Und gern hat Rom seine Feinde ans Kreuz gehängt.
Zur Zeit der Geburt Jesu war es gerade erst 44 Jahre her, dass Cäsar ermordet worden war. Augustus war ein Großneffe Julius Cäsars. Kleopatras Selbstmord lag dreißig Jahre zurück, und in den Schaltzentralen der Supermacht verbrachten die führenden Schichten ihre Jahre und Jahrzehnte mit den üblichen Lügen, Affären und Attentaten.
Dass auch diese Supermacht an sich selbst zugrunde gehen würde, war bereits absehbar, und spätestens seit dem Jahr 9 nach der Geburt Jesu hätte den Verantwortlichen in Rom die Erkenntnis dämmern müssen, dass man nun an die Grenzen seiner Macht gelangt war. In jenem Jahr hatte der Germane Hermann der Cherusker im Teutoburger Wald die römischen Truppen des Varus vernichtend geschlagen.
Nach Augustus’ Tod am 19. August des Jahres 14 n. Chr. tratsein Stiefsohn Tiberius die Nachfolge im Römischen Reich an. Unter Tiberius und Pontius Pilatus, der ab dem Jahr 26 römischer Statthalter in Judäa war, wurde Jesus gekreuzigt.
Die Welt, in die Jesus hineingeboren wurde, war schon globalisiert. Etwa dreihundert Jahre vor ihm hatte Alexander der Große die Thraker und Illyrer besiegt, Theben zerstört, die Perser besiegt, ganz Kleinasien erobert, Ägypten besetzt und sein Reich schließlich über Arabien und das Pandschab bis zum Indus ausgedehnt. Als sich Alexander zu Tode gesiegt hatte, zerfiel das zusammengeraffte Imperium wieder, aber dem griechischen Handel blieben die neuen Verkehrswege erhalten. Das Alexandergeld stellte eine einheitliche Währung dar, die die Entstehung eines Welthandels und Weltverkehrs förderte und eine Kultur begründete, die wir heute hellenistisch nennen.
Rund siebzig griechische Städte mit Tempeln, Theatern und
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