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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nuernberger
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bezichtigen. Das kann man sogar als Gotteslästerung interpretieren. Aber geben die Zeugenaussagen das her? Die Ratsmitglieder merken, dass die Zeugen einander widersprechen und manche auch einfach nur lügen.
    Darum wird jetzt Jesus vernommen. Vielleicht verrät er sich ja selbst. Kajaphas, der Vorsitzende, fragt: «Bist du der Christus, der Sohn Gottes?» Kajaphas greift damit Meinungen und Gerüchte auf, die über Jesus in Umlauf sind. Jesus selbst hat bis zu diesem Zeitpunkt nicht gesagt, dass er der Messias oder Sohn Gottes sei, sondern auf entsprechende Fragen immer mit Gegenfragen oder ausweichend geantwortet. Jetzt aber sagt er: «Ja, ich bin es.»
    Viele Theologen meinen heute, das habe er nicht wirklich gesagt, das sei ihm von den Evangelisten in den Mund gelegt worden. Tatsächlich scheint Jesus nicht alles, was die Evangelien berichten, wirklich geäußert zu haben. Es war damals, als die Evangelien geschrieben wurden, auch in außerbiblischen Zusammenhängen durchaus üblich, bestimmten Lehrmeistern Worte in den Mund zu legen, die sie gesagt haben könnten, aber nicht gesagt haben.
    Es gibt also keine letzte Sicherheit über Jesu Worte, auch nicht über sein Messiasbekenntnis vor dem Hohen Rat. Aber: Genau wegen dieses Bekenntnisses wird er zum Tod verurteilt. Die Mitglieder des Hohen Rates sind keine Rechtsbeuger. Der Tod Jesu mag ihnen politisch gut in den Kram passen und im Einklang mit ihren religiösen und privaten Interessen stehen, aber aus diesen Gründen allein hätten sie ihn nicht zur Hinrichtung gebracht. So unanständig wären sie nicht gewesen. Jesus muss ihnen einen handfesten Grund geliefert haben, und da kommt sein messianisches Sendungsbewusstsein gerade recht.
    Der Hohe Rat hatte nun zwei Möglichkeiten: entweder Jesus zu glauben oder ihm nicht zu glauben. Jesus zu glauben wäre einer Revolution gleichgekommen – und hätte eine Selbstentmachtung der Mächtigen bedeutet. Diese aber sind auch nur Menschen. Zu erwarten, dass sie, die Folgen bedenkend und in Kauf nehmend, Jesus glauben, wäre zu viel erwartet.
    Man muss ihnen aber auch zugute halten: Warum hätten sie Jesus denn glauben sollen? Nicht nur die Mitglieder des Hohen Rates, sondern die meisten Angehörigen des Volkes Israel haben sich den Messias etwas anders vorgestellt. Sie haben einen mächtigen Herrscher erwartet, der mit großem Getöse die Römer vertreibt und ein neues davidisches Reich errichtet.
    Diese Vorstellungen waren mit der Person Jesu nicht in Einklang zu bringen. Niemand, nicht einmal die Jünger, hatte zu diesem Zeitpunkt begriffen, dass nicht die Menschen darüber zu befinden haben, wie ein Messias zu sein hat, sondern Gott. Und Gottes Entscheidung, dass der Messias genau so zu sein hat wie Jesus, ja, dass er es tatsächlich sei, ist für viele noch heute kaum zu begreifen.
    Für den Hohen Rat ist der Fall also klar. Da dieser Jesus nicht der Messias sein kann, aber behauptet, es zu sein, ist er ein anmaßender Gotteslästerer. In solch einem Fall erzwingt das Gesetz die Verhängung der Todesstrafe. Israels oberste Behörden haben gar keine andere Wahl. Sie verurteilen Jesus zum Tode.
    Doch Israels Mächtige sind keine souveränen Herrscher, sondern eine Regierung von Roms Gnaden. Was sie dürfen und was nicht, wird ihnen vom römischen Recht diktiert. Todesurteile dürfen sie nicht vollstrecken. Deshalb muss Jesus zum römischen Statthalter Pontius Pilatus gebracht werden, damit dieser das Todesurteil nach römischem Recht bestätige und dessen Vollstreckung anordne.
    Die Mitglieder des Hohen Rates wissen: Den Römern sind die innerreligiösen Angelegenheiten Israels ziemlich egal. Dass sieeinen Juden hinrichten, weil er der Gotteslästerung für schuldig befunden wurde, ist keineswegs sicher. Deshalb ändert der Hohe Rat den Verurteilungsgrund so, dass auch Pilatus beeindruckt sein muss. Sie machen aus Jesus, dem falschen Messias und Verführer des Volkes, einen politischen Aufwiegler, der sich als Messias-König ausgibt – und damit beginnt nun ein zynisches Spiel der Mächte, zu dessen Spielball Jesus wird.
    Mit Messias-Königen haben die Römer Erfahrungen, und zwar schlechte. Messias-Könige hetzen die Bevölkerung gegen Rom auf, und darauf reagiert die Besatzungsmacht empfindlich. Mitglieder des Hohen Rates können sich also des Interesses von Pontius Pilatus sicher sein, als sie ihm am Freitagmorgen einen Messias-König bringen.
    Pilatus sieht ihn sich an, erkennt schnell, dass das bekannte

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