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Die Bibel für Eilige

Titel: Die Bibel für Eilige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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|38| Ergebung in das nicht Änderbare, über Lebensglück und Lebensqual, über Seelenruhe und innerstes Zerwürfnis, Gewissensnot und
     Tapferkeit, über die Ekstase der Stille und die Ekstase der Üppigkeit, Protest und Entsagung, über das Heilige und Dämonische
     –
um
uns,
in
uns,
fern
von uns.
    Worum es geht, das kennt im Prinzip jeder aus Erfahrung, sofern er sich die Mühe macht, das Erfahrene zu reflektieren und
     in Worte zu fassen: ein Mensch im Widerspruch, am Leben verzweifelnd
und
beglückt, am Leben zu sein! Immer wieder fragend: Wozu bin ich da, wer bin ich, wer soll ich sein, wo gehe ich hin, was ist
     mein Glück und was mein Unglück? Wie lerne ich, was gut ist und was böse genannt werden muss? Wer solche Fragen – gleich an
     welchen Text – stellt und die ihn
jetzt
treffende Schlüsselfrage herausfindet, wird einen Gewinn haben, selbst im Widerspruch zu dem, was ihm in einem Text an Aussage
     begegnet.
    Jemand, der aus dem Menschlich-Allgemeinen ins speziell Christliche gelangen will, kann und muss nach dem
geistlichen
Sinn fragen: Wie bricht in diesem Bibelabschnitt ein Unbedingtes in das Bedingte ein? Anders gesagt:
    Wie wird Gottes Stimme im menschlichen Wort hier hörbar? Was weist auf Christus als den »neuen Adam«?
    Wie kommt hier das göttliche Geheimnis als Geheimnis des Lebens zur Sprache?
    Wie wird der Mensch hier seiner Bestimmung (nicht) gerecht?
    Welcher Zuspruch und welcher Anspruch (an mich) wird hier hörbar?
    Von welcher Schuld ist hier die Rede und wie geschieht Freikommen von Schuld? Was
entspricht
der Botschaft Christi – und was
widerspricht
seinem Geist?
    Wer im bloß buchstäblichen Sinn verharrt, erliegt zumeist den Verführungen des Fundamentalismus und benutzt das Religiöse
     als Instrument gegen das bloß Vernünftige, statt |39| die Vernunft (und damit auch die Unterscheidungs- und Entscheidungsfähigkeit des Menschen) als eine Gabe Gottes zu verstehen,
     die der Mensch zu seinem eigenen Nutzen einbringen kann, wiewohl er weiß, dass gerade die Vernunft zur Hybris werden kann
     und dass der Verstand der Verständigen bisweilen nicht nur die größten Dummheiten, sondern die größten Verbrechen gebiert.
     Kein anderes Jahrhundert ist so voll davon wie das vergangene zwanzigste.
     
    Wir haben den Schatz der großen und umfassenden Wahrheiten eben nur in irdenen, also in menschlichen Gefäßen. Und ein Schatz
     hat es an sich, dass er gehoben werden muss und dass die Wahrscheinlichkeit, ihn zu finden, genauso groß ist wie die Wahrscheinlichkeit,
     ihn nicht zu finden. Die Suche selbst ist meist schon der Gewinn!
    Nicht von ungefähr ist ein Großteil der Reden Jesu gleichnishaft, bildhaft, parabolisch. Immer ist sowohl nach den Vergleichspunkten
     zu suchen, als auch in den einzelnen Erzählstücken des Gleichnisses oder der Gleichnisrede ein Sinn zu entdecken, der sich
     nicht auf den abstrakten, verallgemeinerten Punkt allein bezieht. Wenn er also etwa sagt: »Seid klug wie die Schlangen und
     ohne Falsch wie die Tauben«, sollte diese bild-gleichnishafte Rede nicht lösen von den Schlangen und den Tauben. Eine Spannung
     ist festzuhalten, die unauflösbar bleibt – zwischen der Arglosigkeit, jener wunderbaren Unbefangenheit, diesem kindlichen
     Vertrauen,
und
der Arglist, die zur Bewältigung des Lebens unentbehrlich ist. Wenn am Ende einer großen Gleichnisrede Jesu (und dann in der
     Folge immer wieder) gesagt wird: »Wer Ohren hat zu hören, der höre«, dann ist das keineswegs ein anatomischer Hinweis, auch
     kein pädagogischer Imperativ, sondern eine Aufforderung, alle Sinne zu nutzen, um nicht nur zu hören, sondern um zu verstehen.
     Wie viele gab es und wie viele gibt es, die mit ihren |40| Ohren nur Schallwellen empfangen, wie viele, denen der Sinn der Dinge verschlossen bleibt. Und wie viele gibt es, die ein
     Interesse daran haben, dass möglichst vielen der Sinn der Dinge verschlossen bleibt?! Wie viele gibt es, deren Augen verklebt,
     deren Ohren verstopft bleiben und deren Unmündigkeit selbstverschuldet ist, wiewohl sie über funktionstüchtige Organe und
     ausreichend Gehirnzellen verfügen … (Und wie tief geht es, wenn wir biblische Texte in Brahms’ »Requien« oder in der Bach’schen
     »Johannes-Passion« aufgeschlossen bekommen oder in einer Psalmübertragung Ernesto Cardenals, in Augustinus’ Buch »Bekenntnisse«,
     in einer Predigt Martin Luthers oder Dietrich Bonhoeffers.)
     
    Wenn die beiden Jünger auf dem traurigen Weg von

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