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Die Bibel für Eilige

Titel: Die Bibel für Eilige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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dessen Geheimnis sehr begreiflicherweise das A und das O all unseres Redens und Fragens bildet, allem Reden Bedrängtheit
     und Feuer, allem Fragen seine Inständigkeit verleiht. Da denn nun gerade geschieht es, daß, je tiefer man schürft, je weiter
     hinab in die Unterwelt des Vergangenen man dringt und tastet, die Anfangsgründe des Menschlichen, seiner Geschichte, seiner
     Gesittung, sich als gänzlich unerlotbar erweisen und vor unserem Senkblei, zu welcher abenteuerlichen Zeitenlänge wir seine
     Schnur auch abspulen, immer wieder und weiter ins Bodenlose zurückweichen. Zutreffend aber heißt es hier ›wieder und weiter‹;
     denn mit unserer Forscherangelegentlichkeit treibt das Unerforschliche eine Art von foppendem Spiel: es bietet ihr Scheinhalte
     und Wegesziele, hinter denen, wenn sie erreicht sind, neue Vergangenheitsstrecken sich auftun, wie es dem Küstengänger ergeht,
     der des Wanderns kein Ende findet, weil hinter jeder lehmigen Dünenkulisse, die er erstrebte, neue Weiten zu neuen Vorgebirgen
     vorwärtslocken. […]
    Joseph für sein Teil erblickte in einer südbabylonischen Stadt namens Uru, die er in seiner Mundart ›Ur Kaschdim‹, |46| ›Ur der Chaldäer‹ zu nennen pflegte, den Anfang aller, das heißt: seiner persönlichen Dinge.
    Ein Mensch wie wir war er, so kommt uns vor, und trotz seiner Frühe von den Anfangsgründen des Menschlichen (um vom Anfange
     der Dinge überhaupt nun wieder ganz zu schweigen) mathematisch genommen ebenso weit entfernt wie wir, da diese tatsächlich
     im Abgründig-Dunklen des Brunnenschlundes liegen und wir bei unserem Forschen uns entweder an bedingte Scheinanfänge zu halten
     haben, die wir mit dem wirklichen Anfange auf dieselbe Art verwechseln, wie Joseph den Wanderer aus Ur einerseits mit dessen
     Vater und andererseits mit seinem eigenen Urgroßvater verwechselte, oder von einer Küstenkulisse zur anderen rückwärts und
     aber rückwärts ins Unermessliche gelockt werden.«
    So Thomas Mann im »Vorspiel« seiner Romantrilogie »Jo seph und seine Brüder«, »Höllenfahrt« überschrieben.
     
    Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Unerlotbar.
    Joseph erblickte … den Anfang aller, das heißt: seiner persönlichen Dinge. Das ist Bibel. Das Ganze im Einzelnen. Das Universelle
     im Personalen. Das Göttliche mitten im Menschlichen. Brunnen der Wahrheit und Höhlen der Angst.
    Tua res agitur. Deine Sache wird verhandelt. Du bist gemeint. Um dich geht es. Wer die Bibel so nicht versteht, wird nichts
     verstehen. Wer so nicht fragt, wird ohne Antwort bleiben. Und wer fragt, wird in Abgründe stoßen – seines Selbst und seiner
     Welt –, und er wird verstehen, tiefer und tiefer steigend. Und auf dem Grunde des Brunnens bleibt das Geheimnis.
    Wer nicht weiß, Rätsel und Geheimnis zu unterscheiden, und wer vermeint, Wahrheit und Widerspruch reimten sich nicht aufeinander,
     wird nicht auf den Grund der Fragen, wo |47| Antworten nur aufblitzen und neues Fragen – als Lust und als Qual – beginnt, kommen. Erst am Ende aller Zeiten, aller Zeit
     steht die Verheißung: »[…] dann werdet ihr mich nichts mehr fragen.« (Johannes 16, 23)
    Was habe ich eben getan? Ich habe das Übliche getan.
Einen
Satz habe ich herausgegriffen aus dem Johannes-Evangelium, der ein Eigenleben bekommen hat und als solcher in andere Wirklichkeit
     hineinwirkt – einen Satz zu einer konkreten Situation, die doch gleichzeitig eine typische ist. Und es hat sich ein kleines
     Wort eingeschlichen, das nicht im Bibel-Text steht: »Nichts
mehr
fragen.« Das steht so nicht da, entspricht aber dem Gesamtsinn.
    In den so genannten Abschiedsreden Jesu schreibt der Evangelist Johannes:
    »[…] ihr aber werdet traurig sein; doch eure Traurigkeit soll in Freude verkehrt werden. Ein Weib, wenn sie gebiert, so hat
     sie Traurigkeit, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der
     Freude willen, dass ein Mensch zur Welt geboren ist. Und ihr habt auch nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und
     euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. Und an dem Tage werdet ihr mich nichts fragen.
    […] Solches habe ich zu euch durch Sprichwörter geredet. Es kommt aber die Zeit, dass ich nicht mehr durch Sprichwörter mit
     euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater.« (Johannes 16, 20–23. 25)
    Jenseits unserer Zeit werden wir fraglos leben, werden wir alles

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