Die Bibel für Eilige
Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb
habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.
Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht
mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn
ich lebe
,
und ihr sollt auch leben
.
Aber der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles
erinnern, was ich euch gesagt habe.
Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht
und fürchte sich nicht
.
Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibet in meiner Liebe!
Das ist mein Gebot
,
dass ihr euch untereinander liebt, wie
|165|
ich euch liebe
. Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was
ich euch gebiete.
Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, dass ihr zerstreut werdet, ein jeder in das Seine, und mich allein lasst.
Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir. Das habe ich mit euch geredet, dass ihr in mir Frieden habet.
In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden
.« (Johannes, Kapitel 13–16)
Sätze tiefer Einfühlung, die sich vom aktuellen Anlass des Abschieds von einem wohltuenden Freund, großen Liebenden und verehrten
Lehrenden ablösen lassen. ER weiß im Innersten, dass er die Verurteilung vor sich hat. Er wird eine schmerzliche Leerstelle
hinterlassen. Er lebt in ihnen, bei ihnen: Liebe, Freundschaft, Beistand und Trost wirken über den Tod hinaus.
( Ein
Satz aus diesen Abschiedsreden ist vielfach mißbraucht worden, er steht auch auf unzähligen Kriegerdenkmälern des Ersten Weltkrieges:
»Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.« Es ist nationalistische Volk-Vaterland-Gehorsams-Ideologie,
die Verbrechen und Verführung, Leid und Trauer verklärt.)
Ein häufig literarisch bearbeitetes Stück aus dem Johannes-Evangelium ist der Dialog zwischen Jesus, dem von den Juden bereits
verurteilten »Gotteslästerer«, und Pilatus, dem römischen Prokurator mit Anwallungen von Mitleid und schlechtem Gewissen.
Da heißt es:
Pilatus rief Jesus und sprach zu ihm: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus, oder haben
dir’s andere über mich gesagt? Pilatus antwortete: Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortet:
Was hast du getan?
Jesus antwortete:
Mein Reich ist nicht von dieser Welt.
Wäre |166| mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; nun aber ist
mein Reich nicht von dieser Welt. Da fragte ihn Pilatus: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es,
ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit
ist, der hört meine Stimme.
Spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahrheit?
(Johannes 18, 28–19, 16)
Der Evangelist Johannes berichtet davon, dass Pilatus von seinem Amnestierecht Gebrauch machen will und dem Volk einen Verurteilten
– entweder den Räuber Barabbas (wahr scheinlich einen radikal-religiösen Aufständischen) oder Jesus freizulassen. Als die Meute schreit »Barabbas«, lässt er Jesus foltern
und führt den Gefolterten dem Volke vor, um darzutun, dass er nichts aus ihm hatte ›herausschlagen‹ können, und um ihr Mitleid
zu erregen. Bei der Folter wird ihm eine Dornenkrone aufgesetzt. Er wird in ein Purpurkleid gehüllt und vor die Menge gestellt.
Pilatus sagt: Ecce homo! Sehet, welch ein Mensch!
Danach kommt es erneut zu einem Dialog zwischen Pilatus und Jesus. Jesus gibt ihm keine Antwort. Und Pilatus spricht zu ihm:
Redest du nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich loszugeben, und Macht habe, dich zu kreuzigen? Jesus antwortete:
Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben her gegeben wäre.
(Johannes 19,10)
Diese Geschichte hat im Abendland die Dichotomie zwischen Gottesreich und Menschenreich, Kaisertum und Papsttum begleitet.
Sie hat gleichzeitig einen tiefsitzenden, langwährenden und
phasisch
wiederkehrenden verbrecherischen Antijudaismus und Antisemitismus
Weitere Kostenlose Bücher