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Die Bibel für Eilige

Titel: Die Bibel für Eilige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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abstrahieren
     können. Und unser Vor-Verständnis macht häufig überhaupt ein Verstehen möglich.
    Ich nenne Beispiele: In der Versuchungsgeschichte geht es um Macht und Autorität, Hunger und Unterwerfung und um das Spiel
     mit dem Risiko des Lebens. In der Begegnung mit dem reichen Jüngling und seinem Bedürfnis, erlöst zu werden, geht es um die
     Selbstversklavung an das, was Menschen haben können. Bei der Frage, ob man dem Kaiser Steuern zahlen soll oder nicht, geht
     es um die Frage nach Gehorsam und Widerstand. In dem Konflikt um das verweigerte Gastrecht für die Jünger in Samaria geht
     es um die |172| Berechtigung von Rache und um die Frage nach der Schuld
aller
, wenn kollektiv gelitten wird.
    Als Jesus vor Pilatus steht, geht es bei der Frage nach Wahrheit auch darum, wer von uns sich die Hände in Unschuld waschen
     kann. Bei der Bitte um die Teilhabe an der göttlichen Macht bei den Söhnen des Zebedäus geht es um die Frage nach der »guten
     Macht« und den »alten Mitteln«. Bei einem Streit um das Erbe geht es um die Frage, was die Seele satt macht. Bei der nächtlichen
     Begegnung zwischen Jesus und Nikodemus geht es darum, ob jemand je aus seiner Haut kann und neu werden kann. Beim Gleichnis
     von den klugen und törichten Jungfrauen geht es um die Frage, ob es ein endgültiges Zuspät gibt. Bei dem Gleichnis von den
     anvertrauten Zentnern geht es darum, wie wir mit unseren unterschiedlichen Gaben wuchern, zugleich um die Chance von Armen
     gegenüber Reichen. Beim Gleichnis vom Weltgericht geht es um die Solidarität einer Gesellschaftsformation
und
um die Barmherzigkeit aller Einzelnen.
    Darum
geht es. Und es geht immer um
noch viel mehr
. Wer Ohren hat, der höre!
    Jesus entzieht sich den ihn vergöttlichenden Unterwerfungsabsichten seiner Anhänger und weist sie auf Gott, den er »unseren
     himmlischen Vater« nennt, in großer Vertrautheit, ja Zutraulichkeit und doch festhaltend an seiner Unverfügbarkeit, Souveränität,
     einer alle Menschensatzungen überschreitenden Autorität.
    Die Evangelien beschreiben einen Mann, der von ganz unten kam, ganz unten blieb, nach ganz unten gestoßen wurde und »den da
     ganz oben« für sich reklamierte: Gott soll geerdet
werden
und geerdet
bleiben
.
    Ihn jammern die Kranken, die Hungernden, die Verlorenen. Ihn jammert die Herde, die keinen Hirten hat. Er weint über das verstockte
     Jerusalem. Ihn hungert, dürstet und friert. Er wird wütend (Luther übersetzt: unwillig). Und er |173| redet gut zu, spricht Mut zu: »Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht!«
    Er zieht sich zurück und entzieht sich. Er setzt sich ein und setzt sich aus. Er kämpft mit seiner Enttäuschung. Immer wieder
     scheint alles umsonst: »Was bekümmert ihr euch doch, dass ihr kein Brot habt? Versteht ihr noch nicht, und begreifet ihr noch
     nicht? Habt ihr noch ein verhärtetes Herz in euch? Habt Augen und seht nicht, habt Ohren und höret nicht? […]« (Markus 8,
     17–18)
    Jesus erlebt Feindschaft, Verachtung, das Lächeln derer, die im Besitz von Macht, Geld und Geltung sind. Alle nehmen sie an
     ihm Ärgernis. »Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterland und bei seinen Verwandten und in seinem Hause.« (Markus
     6,4)
    Er wird in Streit verwickelt. Er soll als Gesetzesbrecher und Aufrührer überführt werden. Er wird denunziert. Er bringt die
     religiösen und politischen Sicherungssysteme durcheinander. Denn der Mensch ist nicht um des Gesetzes, sondern das Gesetz
     um des Menschen willen gemacht, sagt er.
    Er fordert Selbstvertrauen, Verzicht auf alle Rück-Versicherung, Loslassen und Gelassenheit, Leidensbereitschaft und zuerst
     und zuletzt: Zuversicht, Vertrauen, Wage-Mut. Denn es gibt Beistand für die, die die Wahrheit wagen. Aber die Wahrheit ist
     nicht billig, weil es um keine billigen Wahrheiten geht. So sendet er sie aus – die zwölf.
    Wer dies liest, dem wird klar, dass es sich um eine Zusammenstellung von Jesusworten aus der nachösterlichen Situation handelt.
    Die Gemeinde wird bereits verfolgt, da hört sie, was er ihnen zumutet und zutraut:
    »Fürchtet euch nicht vor den Menschen.
    Sie töten den Leib.
    |174| Aber die Seele töten
    Können sie nicht.
    Der aber Seele und Leib vernichten kann
    In der Hölle:
    Den sollt ihr fürchten.
     
    Es stürzt kein Spatz auf die Erde herab,
    wenn euer Vater nicht will:
    Und zwei Spatzen
    Kauft man für einen einzigen Pfennig!
    Ihr aber seid mehr wert
    als alle Spatzen zusammen!
    Was

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