Die Bibel für Eilige
theologische
Zusammenhänge. Sie bedienen sich dafür mehrerer literarischer Stilmittel. Sie entwickeln eine ganz eigene Theologie: Matthäus
ist judenchristlich orientiert, Johannes beinahe judenfeindlich, Lukas sozial-therapeutisch.
Man muss allerdings davon ausgehen, dass keiner von ihnen selber historischer Zeuge der berichteten Geschehnisse gewesen ist.
Ich weise noch einmal darauf hin: Der Älteste – Markus – weiß von keiner wunderbaren Geburt. Bei ihm fehlt die Weihnachtsgeschichte,
die das Christentum volkstümlich gemacht hat. Er beginnt mit der Botschaft Johannes des Täufers. Man hat sein Evangelium als
eine »Passionsgeschichte mit ausführlicher Einleitung« bezeichnet.
|159| Matthäus und Lukas verfügen neben einem möglichen »Ur-Markus« über Quellenmaterial, das wir die Logienquelle, die Spruch-
oder Reden-Quelle, nennen. Daraus wurde die Bergpredigt bei Matthäus (Kapitel 5–7) bzw. die Feldrede bei Lukas (Kapitel 11)
oder die Aussendungsrede (Matthäus 10) komponiert. Bei Johannes nehmen die Abschiedsreden größeren Raum ein (13,31–16,33).
Zum einen wird die Lebensgeschichte – von der Geburtsgeschichte bis zu den Auferstehungsberichten – verschieden akzentuiert
überliefert, zum anderen finden sich darin Lehrgespräche, Streitgespräche, Sprüche, Spruchsammlungen, Wundergeschichten und
Gleichnisse.
Die Kernbotschaft, die auf den historischen Jesus mit einiger Wahrscheinlichkeit rückführbar ist, lässt sich in groben Zügen
so zusammenfassen:
Das
» Reich Gottes
« – als das Ende der bisherigen Welt- und Machtverhältnisse – ist nahe. Die Basileia tou Theou, die Königsherrschaft Gottes
in Gerechtigkeit und Frieden ist nahe!
Es kommt das Ende dieser Welt, die Welt kommt zu ihrem Ziel.
Darum:
Kehrt um
! Ändert all euren Wandel und vertraut nicht den Sicherungen, die bisher gelten. Macht euch in all eurem Denken und Tun für
diese neue Wirklichkeit bereit.
Habt unbedingtes
Vertrauen
! Der unnahbare und unaussprechbare Gott wird zum Urwort des Vertrauens: Gott ist der ABBA, der ganz und gar Väterliche und:
Der ganz Ferne – unser Vater »in den Himmeln« – ist zugleich der ganz Nahe. Seid ohne Lebensangst, ohne Lebenssorge! Denn
ER weiß, was ihr braucht!
Ihr seid doch
Geliebte
! Seid Menschen der Liebe! Ihr wisst selber, wie viel Liebe ihr braucht. So habt Liebe mit ganzem Herzen, mit allem Denken,
Fühlen und Tun.
|160| Das »neue Gesetz« ist das Gesetz der Liebe. Und die Liebe selbst ist des Gesetzes Erfüllung! Die Liebe steht über allen Einzelgesetzen;
sie setzt auf den Einzelnen, in Freiheit zu entscheiden, was jetzt das Richtige, das Angemessene und Zuträgliche ist.
Gottes- und Menschenliebe sind unlösbar aufeinander bezogen. Sich selbst zu lieben, Ja zu sich selbst zu sagen, ist Voraussetzung
für Nächstenliebe.
Seid
wach
und seid wachsam – besonders für alle, die unten sind, die am Rande sind, die ausgestoßen sind. Lebt schon heute die neue
Gemeinschaft in Warmherzigkeit und Mit-Menschlichkeit. Macht euch frei von aller Verhärtung der Herzen. Übt Barmherzigkeit.
Stiftet Frieden, einen Frieden, der sich auch auf den Feind richtet.
Das
Leben
findet im Tode kein Ende, weil es bei Gott aufgehoben ist und die neue Welt Gottes – in Gericht und Gnade – unser aller Zukunft
ist.
Die vier Evangelisten entfalten diese Kernbotschaft in einer je spezifischen theologischen und literarischen Form. Später
hat die Kirche durch ihre Lehrentscheidungen auf Konzilien daraus einen dogmatischen Christus herauskristallisiert, ein ausgeklügeltes
Lehrgebäude entwickelt, wobei die Vielfältigkeit der Lebenszeugnisse der Evangelien auf den Leisten von kirchlichen (römischen)
Dogmen geschlagen wurden. Das früheste und bis heute wirkende altkirchliche »Symbol« ist das so genannte Apostolikum, das
den Glauben
an
etwas festschreibt, also den Akkusativ dem Dativ vorordnet.
»Ich glaube an […]« statt »Ich glaube ihm«.
An die Stelle des Grundvertrauens tritt ein »Für wahr halten, dass …«
In einem ganz hohen Ton beginnt der Evangelist Johannes. Er knüpft an den Anfang der Schrift an: »Am Anfang schuf Gott Himmel
und Erde« (Genesis 1,1). Und Gott |161| schafft durch das schöpferische Wort. Er ruft das Sein ins Dasein. Sein erstes schöpferisches Wort ist das Wort: »Es werde
Licht! Und es ward Licht.« (Genesis 1,3) Sodann scheidet er das Licht von der Finsternis. So kommt es zur ersten
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