Die Bibel nach Biff
ich meine Befehle heraus.
»Ich brauche acht Schafsblasen, möglichst trocken, zwei Hände voll Krokodilzähne, zwei Teile ungegerbtes Leder, so lang wie meine Arme und anderthalbmal so breit. Nein, ist mir egal, von welchem Tier, nur nicht zu brüchig, wenn es geht. Ich brauche Haar von einem Elefantenschwanz. Ich brauche Feuerholz oder getrockneten Dung, wenn es sein muss, acht Ochsenschwänze, einen Korb mit Wolle und einen Eimer ausgelassenes Fett.«
Einhundert dürre Unberührbare standen da, mit tellergroßen Augen, und starrten mich an, während Josua zwischen ihnen wandelte, ihre Wunden und Krankheiten, ihren Wahnsinn heilte, ohne dass auch nur einer geahnt hätte, was dort vor sich ging. (Wir waren übereingekommen, dass es so das Klügste wäre, denn wir wollten nicht, dass ein Pulk kerngesunder Unberühr- barer sportlich durch Kalighat hüpfte und verkündete, ein komischer Fremder habe sie von allem Übel befreit, was die Aufmerksamkeit auf uns gerichtet und meinen Plan vereitelt hätte. Andererseits konnten wir auch nicht danebenstehen und zusehen, wie diese Leute litten, wohl wissend, dass es in unserer - also Josuas - Macht stand, ihnen zu helfen.)
»Also?«, sagte ich, nachdem ich meine Anweisungen verkündet hatte. »Wollt ihr eure Kinder wiederhaben oder nicht?«
»Wir haben keinen Eimer«, sagte eine Frau.
»Und auch keinen Korb«, sagte eine andere.
»Okay, gebt das ausgelassene Fett in Schafsblasen und wickelt die Wolle in irgendein Fell. Nun geht, uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Und sie alle standen da und sahen mich an. Große Augen. Wunden geheilt. Parasiten eliminiert. Sie starrten mich nur an.
»Hört mal zu, ich weiß, mein Sanskrit ist nicht so toll, aber ihr wisst doch, worum ich euch bitte?«
Ein junger Mann trat vor. »Wir wollen Kali nicht verärgern, indem wir ihr die rechtmäßigen Opfer vorenthalten.«
»Das ist ein Witz, oder?«
»Kali bringt uns den Untergang, ohne den es keine Wiedergeburt geben kann. Sie löst die Fesseln, mit denen wir an die materielle Welt gebunden sind. Wenn wir sie verärgern, verweigert sie uns ihre göttliche Vernichtung.«
Ich sah Josua über die Menge hinweg an. »Verstehst du das?«
»Angst?«, sagte er.
»Kannst du helfen?«, fragte ich auf Aramäisch.
»Ich bin nicht gut, was Angst angeht«, sagte Josua auf Hebräisch.
Ich dachte eine Sekunde nach, und hundert erwartungsvolle Blicke waren auf mich gerichtet. Ich dachte an die roten Kerben an den Elefantenstatuen auf dem Altar der Kali. Der Tod war ihnen eine Erlösung, ja?
»Wie heißt du?«, fragte ich den Mann, der aus der Menge vorgetreten war.
»Nagesh«, sagte er.
»Streck deine Zunge raus, Nagesh.« Er tat es, und ich schob das Tuch von meinem Kopf, und lockerte es um meinen Hals. Dann berührte ich seine Zunge.
»Vernichtung ist eine Gabe, die du schätzt?«
»Ja«, sagte Nagesh.
»Dann will ich das Werkzeug der göttlichen Gabe sein.« Damit zog ich den schwarzen Glasdolch aus der Scheide, die in meiner Schärpe steckte, und hielt ihn vor der Menge in die Höhe. Während Nagesh, regungslos und mit großen Augen dastand, hielt ich meinen Daumen unter seinen Unterkiefer, drückte seinen Kopf zurück und zog ihm den Dolch über die Kehle. Ich ließ ihn zu Boden sinken, während der rote Saft über den Sandstein spritzte, dann stand ich auf, blickte wieder in die Menge und hielt die tropfende Klinge über meinen Kopf. »Ihr seid mir was schuldig, undankbares Gesindel! Ich habe eurem Volk die Gabe der Kali gebracht, jetzt bringt mir, worum ich euch bitte.«
Für Leute, die am Rande des Hungertodes standen, liefen sie erstaunlich schnell.
Nachdem sich die Unberührbaren in alle Winde zerstreut hatten, um meinen Wünschen nachzukommen, beugten sich Josua und ich über Nageshs blutüberströmten Körper.
»Das war phantastisch«, sagte Josua. »Absolut perfekt.«
»Danke.«
»Hast du das die ganze Zeit geübt, als wir im Kloster waren?«
»Hast du nicht gesehen, wie ich den Punkt in seinem Nacken gedrückt habe?«
»Nein, überhaupt nicht.«
»Kaspars Kung-Fu-Training. Der Rest stammt natürlich von Wonne und Balthasar.«
Ich beugte mich vor und machte Nageshs Mund auf, dann nahm ich das Ying-Yang-Fläschchen von meinem Hals und gab einen Tropfen des Gegenmittels unter die Zunge des Unberührbaren.
»Nun, jetzt bist du ein echter Magier, Biff. Ich bin beeindruckt.«
»Josua, du hast heute hundert Menschen geheilt. Die Hälfte davon wäre vermutlich gestorben. Ich
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