Die Bibel nach Biff
stets, mit rechtschaffener Empörung voranzuschreiten, und sicher war das hin und wieder sinnvoll, aber es gibt auch Zeiten, in denen List und Tücke angezeigt sind (Salomo 9 oder so). Mit Hilfe meiner makellosen Logik konnte ich ihn zu einem Alternativplan überreden: »Josh, haben die Vegemiten die Marmiten besiegt, indem sie reingestürmt sind und einfach so Gerechtigkeit gefordert haben? Glaub ich nicht. Diese Brahmanen schneiden Kindern die Finger ab und essen sie. Ich weiß, dass es kein Gebot gegen das Fingerabschneiden gibt, Josh, aber ich vermute mal, dass diese Leute anders denken als wir. Sie schimpfen Buddha einen Ketzer, und der war immerhin einer ihrer Prinzen. Was meinst du, wie sie einen dürren, braunen Jungen finden, der behauptet, Gottes Sohn zu sein und nicht mal aus der Gegend stammt?«
»Gutes Argument. Aber trotzdem müssen wir das Kind retten.«
»Natürlich.«
»Wie?«
»Extreme Schlauheit.«
»Dann musst du die Sache übernehmen.«
»Zuerst müssen wir uns diese Stadt und den Tempel ansehen, in dem die Opferung stattfinden soll.«
Josua kratzte sich am Kopf. Sein Haar war größtenteils nachgewachsen, aber immer noch kurz. »Die Vegemiten haben die Marmiten geschlagen?«
»Ja, Exkrete 3,6.«
»Daran erinnere ich mich nicht. Mir scheint, ich muss mein Thorawissen mal wieder auffrischen.«
Die Statue der Kali über dem Altar war aus schwarzem Stein gehauen und so hoch wie zehn Männer. Sie trug eine Kette aus Menschenschädeln um den Hals und einen Gürtel aus abgehackten Menschenhänden um ihre Hüften. Ihr offenes Maul war mit Sägezähnen besetzt, über die man frisches Blut gegossen hatte. Selbst ihre Zehennägel bogen sich zu scharfen Krallen und bohrten sich in einen Haufen verdrehter, steinerner Leichen, auf denen sie stand. Die Staue hatte vier Arme, von denen einer ein grässliches Schlangenschwert hielt, ein anderer einen abgeschlagenen Kopf bei den Haaren, die dritte Hand winkte ihre Opfer an den Ort dunkler Verwüstung, der das Schicksal aller ist, und die vierte deutete auf den Gürtel aus Händen, als stellte sie die ewige Frage: »Macht mich dieser Aufzug auch nicht dick?«
Der erhöhte Altar lag in der Mitte eines offenen Gartens, von Bäumen umgeben. Er war so breit, dass fünfhundert Leute im Schatten der schwarzen Göttin hätten stehen können. Tiefe Rinnen waren in den Stein gehauen, um das Blut in Kanäle zu lenken, nachdem es aus dem Mund der Göttin geflossen war. Zum Altar führte eine breite, gepflasterte Straße, die auf beiden Seiten von großen, holzgeschnitzten Elefanten gesäumt wurde. Rumpf und Vorderbeine der Elefanten, die auf Drehscheiben standen, hatten rotbraune Flecken, und hier und da waren an den Rümpfen tiefe Einschnitte zu erkennen, wo Klingen Kinder zerstückelt und das Mahagoni gespalten hatten.
»Hier wird Vitra nicht gefangen gehalten.«
Wir versteckten uns hinter einem Baum beim Tempelgarten, als Einheimische verkleidet, mit gefälschten Kastenzeichen und allem. Da ich beim Lose ziehen verloren hatte, trug ich Frauenkleider.
»Ich glaube, das ist ein Bodhibaum«, sagte ich. »Unter genau so einem hat Buddha auch gesessen! Ist das aufregend! Irgendwie fühl ich mich schon erleuchtet, wenn ich nur hier stehe. Ehrlich, ich spüre förmlich, wie die reifen Bodhis zwischen meinen Zehen zermantschen.«
Josua warf einen Blick auf meine Füße. »Ich glaube, das sind keine Bodhis. Vor uns war eine Kuhherde hier.«
Ich hob meinen Fuß aus dem Fladen. »Kühe werden in diesem Land überbewertet. Auch noch unter Buddhas Baum. Ist denn nichts mehr heilig?«
»Dieser Tempel ist kein Gotteshaus«, sagte Josua. »Wir müssen Rumi fragen, wo die Opfer festgehalten werden.«
»Das wird er kaum wissen. Er ist ein Unberührbarer. Diese Leute sind Brahmanen, Priester, die würden ihm nichts erzählen. Das wäre so, als würde ein Sadduzäer einem Samariter verraten, wie das Allerheiligste aussieht.«
»Dann müssen wir sie eben selbst finden«, sagte Josua.
»Wir wissen, wo sie um Mitternacht ist. Da holen wir sie uns.«
»Ich sage, wir suchen diese Brahmanen und zwingen sie, das Fest abzusagen.«
»Wir stürmen einfach ihren Tempel und befehlen ihnen, es abzusagen?«
»Ja.«
»Und das tun sie.«
»Ja.«
»Das ist niedlich, Josh. Komm, wir suchen Rumi. Ich hab einen Plan.«
21
»Du bist eine äußerst attraktive Frau«, sagte Rumi aus seiner gemütlichen Grube heraus. »Hatte ich schon erwähnt, dass meine Frau ihr nächstes Leben
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