Die Bibel nach Biff
ertönen. Ein paar Minuten später ging die Klappe in der Tür auf, und ein Mönch, den wir noch nie gesehen hatten, hielt sein Gesicht in die Luke. »Geht weg. Euer Wesen ist beschränkt, und ihr stinkt aus dem Hals wie ein Yak aus dem Arsch.« Er knallte die Klappe zu.
Wieder schlug Josua den Gong.
»Mir gefällt die ganze Sache mit dem toten Messias nicht. Ich kann hier nicht bleiben. Nicht, wenn er dich schlägt.«
»Ich habe das Gefühl, als würde ich noch öfter Schläge beziehen, bis ich gelernt habe, was er mir beibringen will.«
»Ich muss gehen.«
»Ja, das musst du.«
»Aber ich könnte bleiben.«
»Nein. Vertrau mir, du musst mich jetzt verlassen, damit du es später nicht tust. Wir sehen uns wieder.« Er drehte sich zur Tür um.
»Ach, sonst weißt du nichts, aber das weißt du plötzlich ganz genau?«
»Ja. Geh, Biff. Auf Wiedersehen.«
Ich lief den schmalen Pfad hinab und stolperte beinah über einen Abhang, als ich hörte, wie die Klappe erneut aufging.
»Wohin willst du?«, rief der Mönch.
»Nach Hause«, sagte ich.
»Gut. Geh und erschreck irgendwelche Kinder mit deiner glorreichen Torheit.«
»Mach ich.« Ich versuchte, möglichst aufrecht zu gehen, aber es fühlte sich an, als würde mir jemand meine Seele durch die Rückenmuskeln herausreißen. Ich wollte mich nicht umdrehen, das schwor ich mir, und langsam, schmerzlich langsam, stapfte ich den Pfad hinab, überzeugt davon, dass ich Josua nie wiedersehen würde.
17
Ich habe mich auf eine gewisse monotone Routine hier im Hotel eingerichtet, die mich an unsere Zeit in China erinnert. Meine wachen Stunden sind mit dem Schreiben dieser Zeilen ausgefüllt, mit Fernsehen und mit meinem Bemühen, dem Engel auf die Nerven zu gehen und mich im Badezimmer zu verkriechen, um in den Evangelien zu lesen. Letzteres verwandelt meine Nächte in ein Albtraumland, aus dem ich erschöpft heimkehre, sobald ich aufwache. Diesen Markus habe ich durchgelesen, und auch er spricht von einer Auferstehung, von Geschehnissen nach meinem und Josuas Tod. Es ist eine ähnliche Geschichte wie die andere, die Matthäus erzählt, wobei mir die Ereignisse etwas durcheinander gewürfelt scheinen, aber im Grunde ist es die Geschichte von Josuas Priesteramt. Bei den Ereignissen jener letzten Passahwoche läuft es mir allerdings kalt über den Rücken. Der Engel hat mir nicht verheimlichen können, dass Josuas Lehren überlebt haben und sich einiger Beliebtheit erfreuen. (Er hat sogar damit aufgehört umzuschalten, sobald Josua erwähnt wird, wie er es anfangs getan hat.) Aber ist es das Buch, aus dem Josuas Lehren gezogen werden? Ich träume von Blut und Leid und einer Einsamkeit, die so leer ist, dass nicht einmal ein Echo übrig bleibt. Dann wache ich schreiend auf, schweißnass, und selbst im wachen Zustand hält die Einsamkeit eine Weile lang vor. Als ich gestern Nacht aufwachte, glaubte ich, eine Frau am Ende meines Bettes stehen zu sehen, und neben ihr den Engel, dessen schwarze Flügelspitzen an die Wände stießen. Bevor ich zu mir kommen konnte, legte der Engel seine Flügel um die Frau, sie verschwand im Schwarz der Engelsschwingen und war nicht mehr zu sehen. Ich glaube, in diesem Moment wachte ich dann wirklich auf, denn der Engel Raziel lag neben mir auf dem anderen Bett und starrte ins Dunkel, die Augen wie schwarze Perlen, in denen sich rot blinkende Lichter von den Dächern der Gebäude gegenüber spiegelten. Keine Flügel, keine schwarze Robe, keine Frau. Nur Raziel.
»Albtraum?«, fragte der Engel.
»Erinnerung«, sagte ich. Hatte ich geschlafen? Ich wusste noch, dass dasselbe, rot blinkende Licht ganz matt auf dem Wangenknochen und dem Nasenrücken der Frau in meinem Traum geleuchtet hatte. Diese eleganten Konturen passten in die Nischen meiner Erinnerung wie ein Schlüssel in den Schloßzylinder, weckten Zimt und Sandelholz und ein Lachen in mir, süßer als der schönste Tag der Kindheit.
Zwei Tage nachdem ich gegangen war, schlug ich den Gong draußen vor dem Kloster. Die Klappe sprang auf, und das Antlitz eines frisch geschorenen Mönchs erschien, dessen Kopfhaut noch erheblich heller war als sein Gesicht. »Was?«, sagte er.
»Die Dorfbewohner haben unsere Kamele gegessen«, sagte ich.
»Geh weg. Deine Nasenflügel beben auf unangenehme Weise, und deine Seele ist irgendwie plump.«
»Josua, lass mich rein. Ich weiß nicht, wohin ich soll.«
»Ich kann dich nicht so einfach reinlassen«, flüsterte Josua.
»Du musst drei Tage
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