Die Bibliothek der Schatten Roman
oder?«
Katherina stellte den Golfschläger zurück und schüttelte den Kopf.
»Ich brauche Sie, Sie müssen ein paar Personen für mich aufspüren.«
»No problem.« Muhammed setzte sich vor einen seiner Bildschirme, schob die Finger zusammen und streckte lächelnd die Arme aus. Die Knöchel knackten hörbar, als er sie dehnte.
»Ich muss wissen, wo sie sich jetzt im Moment aufhalten. Ihre Lebensgeschichte interessiert mich nicht.«
Muhammed nickte.
»Erstmal geht es um einen Otto Remer«, begann Katherina
und machte eine Pause, während Muhammed den Namen in seinen Computer tippte. »Dann um einen Mann etwa Mitte 30, der als Chauffeur für einen William Kortmann gearbeitet hat.«
Muhammeds Finger huschten über die Tastatur, während er nickend wiederholte, was sie gesagt hatte.
»Sonst noch wer?«, fragte er und sah sie an.
»Der Letzte ist Jon Campelli«, sagte Katherina und hielt Muhammeds Blick stand.
»Jon Campelli«, wiederholte er nach ein paar Sekunden Schweigen. »Sie wollen, dass ich Jon Campelli finde?«
Katherina nickte und spürte, wie sich ihr Hals beim Klang seines Namens zusammenzog.
»Ich hab zwar gesagt, dass ich gar nicht wissen will, was Sie da treiben«, sagte Muhammed ernst. »Aber was geht hier ab? Ist er abgehauen? Wenn er nicht gefunden werden will, kann ich Ihnen nicht helfen.«
Katherina räusperte sich.
»Jon wird gegen seinen Willen festgehalten«, erwiderte sie. »Von den zwei anderen, deren Namen ich Ihnen genannt habe.«
Muhammed legte die Stirn in Falten, rührte sich aber nicht.
»Otto Remer ist der Kopf einer kriminellen Organisation, die vor nichts zurückschreckt«, fuhr Katherina fort. »Es ist äußerst wichtig, dass wir Jon so schnell wie möglich finden, sonst …« Sie spürte, dass ihr die Tränen kamen. »Sonst tun die ihm was an.«
Muhammed seufzte tief.
»Verdammt, in was für einen Scheiß sind Sie da bloß reingerutscht?«, fragte er. »Erst erfahre ich, dass Jon gefeuert wurde, und jetzt auch noch das.« Er schüttelte den Kopf. »Warum gehen Sie nicht zur Polizei?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Katherina. »Und wir haben wenig Zeit.«
Muhammed nickte und richtete seinen Blick auf den Bildschirm.
»Okay«, sagte er. »Dann wollen wir unseren Freund mal finden.«
Das Warten war schrecklich. Katherina konnte keinen weiteren Beitrag leisten, als auf die Fragen zu antworten, die Muhammed ihr zwischendurch stellte. In der Zwischenzeit hörte sie nur das Klappern der Tasten. Muhammed hatte sein Handy nach dem ersten Klingeln ausgeschaltet, und Katherina wollte seine Konzentration nicht stören. Er war ihre einzige Chance.
Während er arbeitete, lief sie rastlos durch das Zimmer. Sie untersuchte die verschiedenen Waren in den Kartons und wunderte sich erneut darüber, dass man davon leben konnte, an Preisausschreiben teilzunehmen. Jon hatte ihr einmal von einer japanischen TV-Show erzählt, bei der die Teilnehmer in Wohnungen eingesperrt wurden und nur von dem lebten, was sie bei Wettbewerben gewannen, übers Internet oder über Zeitschriften. Die meisten mussten wegen Hunger aufgeben.
Manchmal schlich sie sich hinter Muhammed und blickte ihm über die Schulter, doch selbst wenn sie hätte lesen können, hätte sie bestimmt nichts verstanden. Symbole und Zeichen scrollten in einem solchen Tempo über den Bildschirm, dass es unmöglich war, ihren Inhalt aufzuschnappen, während Muhammeds Finger über die Tastatur tanzten.
»Okay«, sagte Muhammed nach gut anderthalb Stunden Suche. »Ich weiß jetzt, wo er ist, aber das wird Sie nicht glücklich machen.«
Katherina trat hinter den Schreibtisch und blickte auf die Bildschirme. Auf einem war eine Weltkarte zu sehen, über die sich zahllose Linien zogen.
»Ich habe die Flughäfen überprüft«, begann Muhammed.
»Keine Spur von Otto Remer, aber Jon ist geflogen …« Er platzierte seine Fingerkuppe auf Dänemark, von wo aus Striche in die ganze Welt führten. »Von Kastrup nach …« Er folgte einem der Striche in Richtung Süden.
Katherina riss die Augen auf.
»Das kann doch nicht wahr sein«, sagte sie.
ZWEIUNDDREISSIG
Ä gypten?«, fragte Jon skeptisch.
Remer lächelte und breitete die Arme aus.
»Das Reich der Pharaonen, die Wiege der Zivilisation.«
Jon wandte den Blick von dem Mann im hellen Anzug ab und schaute zum Fenster, wo ein paar dünne Vorhänge sich in der leichten Brise bewegten. Auch wenn sein Orientierungssinn in Dänemark zurückgeblieben zu sein schien,
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