Die Bibliothek der Schatten Roman
aber ohne Erfolg. Sie stand vor einer Fischbude, und der Besitzer des provisorischen Ladens versuchte, die Marktbesucher mit erhobenem Zeigefinger abzuwehren, damit sie seinen Warentisch nicht umstießen.
Der Kopf des Rothaarigen überragte die anderen Menschen,
und als er sah, dass Katherina feststeckte, breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus, das sie sehr beunruhigte. Fieberhaft sah sie sich nach einem Ausweg um. Der Fischhändler hatte sie jetzt direkt aufs Korn genommen und warf ihr Schimpfwörter an den Kopf, damit sie endlich zurückwich.
Nach einem letzten Blick auf ihre Verfolger duckte sie sich und kroch unter den Tisch mit dem Fisch. Auf der anderen Seite wurde sie von dem Fischhändler in Empfang genommen, der mit Zeitungen auf sie einschlug und ihr arabische Flüche entgegenbrüllte. Als sie aufstand, hielt der Fischhändler sie fest und schüttelte sie kräftig, bis sich sein Warentisch plötzlich gefährlich neigte und seine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Katherina nutzte den Moment, um ihn wegzustoßen und sich zu befreien. Sie duckte sich unter einem anderen Tisch hindurch und kroch in eine Seitengasse. Dort richtete sie sich auf und lief im Zickzack durch die Menge der Touristen und Marktbesucher. Hinter sich hörte sie den Marktstand des Fischhändlers zusammenkrachen.
Am Rand des Marktes blieb Katherina stehen und sah sich um. Die beiden Männer waren nirgends zu sehen.
Sie wünschte sich, die anderen wären da. Doch Henning lag mit Magenschmerzen im Hotelzimmer, und Muhammed streifte wie sie allein durch die Stadt. Nachdem er in die Geheimnisse der Gesellschaft eingeweiht worden war, hatte er angeboten, sie zu begleiten. Er konnte so oder so nicht nach Hause und war überdies der Meinung, mit diesen Leuten noch eine Rechnung offen zu haben. Katherina hatte sein Angebot dankbar angenommen. Sie spürte instinktiv, dass Muhammed derjenige war, dem sie am meisten vertrauen konnte. Er hatte sie nie im Stich gelassen.
Außerdem hatte sich gezeigt, dass er nicht vorhatte, auf der faulen Haut zu liegen. Genauso wenig wie Katherina hatte er die Ruhe, still im Hotel zu sitzen. Sie war beinahe zu jeder Tages- und Nachtzeit auf der Suche nach Jon gewesen. Nur zum
Schlafen oder wenn sie verabredet waren, kehrte sie ins Acropole zurück, in dem sie sich eingemietet hatten.
Ein Ruf am anderen Ende der Straße zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ein Mann mit kurzen Haaren und hellem Anzug zeigte in ihre Richtung. Es war Remer, hinter dem sie Jon erkannte, welcher jedoch nichts unternahm, sondern nur in ihre Richtung starrte, als ginge ihn das Ganze nichts an. Remer winkte mit einer Hand in Richtung Markt, während er mit der anderen auf sie zeigte. Katherina folgte seinem Blick zu den Marktständen und erblickte den Rothaarigen in der Menge, der im gleichen Augenblick sie entdeckte.
Sie rannte los und bog um die nächste Ecke. Fast wäre sie in der engen Gasse von einem alten Lada angefahren worden, und sie musste sich mit dem Rücken an die Wand pressen, um ihn vorbeizulassen. Kleine Läden drängten sich auf beiden Seiten der Gasse in den Nischen und Winkeln.
Ständig rasten Mofas in halsbrecherischem Tempo an ihr vorbei, und sie musste immer wieder an den Rand der Gasse springen, um ihnen auszuweichen und weiter vorwärtszukommen. An der ersten Abzweigung blieb sie stehen und sah sich um. Gerade als sie glaubte, ihren Verfolgern entkommen zu sein, hörte sie Stimmen. Sie schallten durch die enge Gasse zu ihr empor.
»Sie ist nach rechts gelaufen«, ertönte es unverkennbar auf Dänisch.
Katherina zwang sich weiterzulaufen, während sie nach einem Ausweg suchte. Diese Gasse war etwas breiter und wesentlich länger als die, aus der sie kam, so dass sie sie gleich sehen würden, wenn sie um die Ecke bogen.
Nach zehn Metern wagte sie sich nicht mehr weiter und schlüpfte in einen Laden. Es war eine Art Hochzeitsgeschäft, in dem alles Mögliche angeboten wurde, vom Brautkleid über Einladungskarten bis hin zur Torte. Von diesen Geschäften schien es in Alexandria beinahe genauso viele zu geben wie von
den kleinen Elektronikläden. An einer Wand des Ladens hingen Brautkleider in zwei Reihen. Katherina trat resolut an die Kleiderständer und nahm das erstbeste Kleid herunter.
Außer ihr war nur noch die Verkäuferin im Geschäft, eine kräftig gebaute Frau mittleren Alters, die von ihrem Platz hinter der Kasse aufstand und lächelnd auf sie zukam. Noch ehe die Frau sie willkommen heißen
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