Die Bibliothek der Schatten Roman
gehetzt.«
»Bodyguards?«, fragte Henning. »Bist du sicher, dass das nicht seine Entführer waren?«
Katherina nickte.
»Ohne ihn hätten die mich gar nicht bemerkt, er hat mit dem Finger auf mich gezeigt.«
Muhammed blickte auf seine Hände.
»Er muss einen guten Grund gehabt haben«, meinte er. »Vielleicht wollte er dich auf diese Art verscheuchen, damit sie dich nicht auch noch in die Finger bekommen?«
»Aber sein Blick«, sagte Katherina resigniert. »Der war so verändert. Als würde er mich von ganzem Herzen hassen.«
»Vielleicht hat er dich abgewiesen, um dich zu schützen«, schlug Henning vor.
Katherina schüttelte wütend den Kopf.
»Er meinte das wirklich so«, bekräftigte sie.
»Das kann nur eins bedeuten«, meinte Henning ernst. »Sie haben für ihn gelesen.«
Der Gedanke an Gehirnwäsche war Katherina auf ihrer Suche nach einer Erklärung auch schon gekommen, aber dass man so etwas auch durch Lesen bewerkstelligen konnte, hatte sie nicht bedacht. Obgleich sie selbst schon mehrfach an Lesungen beteiligt gewesen war, verband sie damit weder Gehirnwäsche noch Folter.
»Aber ist das denn möglich?«, fragte sie. »Wir waren … sind verliebt … Wie kann man so etwas in so kurzer Zeit in Hass verwandeln?«
»Man braucht schon einen besonders guten Sender dafür«, räumte Henning ein. »Und ein noch besseres Alibi.«
»Alibi?«, fragte Muhammed. »Jetzt komm ich nicht mehr mit. Was soll das denn?«
»Eine Lesung kann die eigene Meinung nicht vollkommen durch eine andere ersetzen. Nicht Schwarz aus Weiß machen. Der Versuch muss scheitern. Präsentiert man dem Betreffenden aber eine überzeugende Erklärung, eine Alternative, wird er unter der richtigen Beeinflussung aus freien Stücken seine Meinung ändern. Das Opfer wird sich an alles erinnern, an seine frühere Meinung ebenso wie an die Lesung, trotzdem aber das Gefühl haben, selbst diese Entscheidung getroffen zu haben.«
»Mann, ist das hinterhältig«, platzte Muhammed hervor und ließ sich aufs Bett fallen.
»Dann hat Jon sich selbst entschieden, mich zu hassen?«, fragte Katherina.
Henning rutschte unruhig auf seinem Sessel herum.
»Mit Sicherheit ist ihm eine Lüge präsentiert worden, an die er glaubt und die ihn jetzt zwingt, dich zu hassen.«
Katherina stand auf und trat ans Fenster. Durch die Lamellen der Fensterläden konnte sie auf die Straße vorm Hotel blicken. In diesem Teil der Stadt war kaum Verkehr, nur hin und wieder fuhr ein Moped vorbei.
Hatte sie den weiten Weg nach Alexandria für nichts und wieder nichts unternommen?
»Gibt es irgendetwas, das wir tun können?«, fragte sie, ohne ihren Blick vom Fenster zu nehmen. Sie spürte, wie ihr die Tränen über die Wangen rannen.
Henning seufzte tief.
»Das ist schwer zu sagen. Wenn der Konflikt zwischen den beiden Entscheidungen groß genug ist, wird er irgendwann einen Rückfall erleiden. Ich könnte mir vorstellen, dass ihn allein der Schock, dich heute gesehen zu haben, zum Nachdenken bringt.«
»Vorausgesetzt, ihm werden keine weiteren Lügen präsentiert.«
»Richtig«, antwortete Henning düster. »Je mehr Argumente sie ihm geben, Abstand zu dir zu halten, umso besser.«
»Besser für sie «, warf Katherina ein und biss die Zähne zusammen.
Muhammed stand auf, ging zu ihr und klopfte ihr auf die Schulter.
»Wenn er dich liebt, wird er schon zur Vernunft kommen.«
Katherina nickte und kämpfte gegen den Drang an, laut zu schluchzen.
»Wenigstens wissen wir jetzt, dass er hier ist«, konstatierte
Muhammed. »Außerdem glaube ich, heute auch noch ein paar von den anderen gesehen zu haben.«
»Wo?«, fragte Katherina.
Bis jetzt hatten sie keine der Personen ausfindig machen können, die die Schattenorganisation nach Alexandria geschickt hatte. Tagelang waren sie durch die Straßen gelaufen, hatten die Touristen in der Stadt beobachtet und zu erkennen versucht, ob sich Lettori unter ihnen befanden. Sie hatten sich die Gesichter auf den Schwarz-Weiß-Schulfotos eingeprägt, die Muhammed ihnen beschafft hatte, doch die meisten waren älteren Datums gewesen, so dass sie nicht erwarten konnten, die Personen allein über ihr Äußeres zu erkennen.
»Eine größere Gruppe wohnt im Hotel Seaview in der Nähe des Hafens«, erklärte Muhammed. »Einer davon könnte euer Verräter sein.«
»Paw?«
»Oder Brian Hansen, wie er richtig heißt«, erklärte Muhammed.
Die Schulpapiere hatten Paws richtigen Namen sowie seinen RL-Wert preisgegeben. Er lag bei
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