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Die Bibliothek der Schatten Roman

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Titel: Die Bibliothek der Schatten Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikkel Birkegaard
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wiederum zu einem Schwarm kleiner Fische, die von einem Orca verschlungen wurden, der gleich darauf von wettergegerbten Seemännern in gelben Overalls harpuniert wurde.
    Von all den Eindrücken und Hunderten mehr, die er in der Schnelle gar nicht wahrnahm, wurde Jon in der Zeitspanne eines Augenaufschlags bombardiert. Er stand mit einem Ruck auf und schnappte nach Luft. Mit wackligen Knien taumelte er vorwärts, bis er gegen eine Sessellehne stieß. Heftige Übelkeit packte ihn, er hyperventilierte, seine Finger begannen zu kribbeln. Von gewaltigem Schwindel ergriffen sackte er auf die Knie und beugte sich vornüber, so dass er auf allen vieren auf dem Boden hockte, den Blick auf den Teppich geheftet.
    Er blieb ein paar Minuten keuchend auf dem Boden knien und versuchte die Augen nicht zu schließen. Erst dann richtete Jon sich langsam auf und wischte sich mit dem Handrücken
übers schweißnasse Gesicht. Seine Beine zitterten, als er auf das nächste Regal zusteuerte. Von dort arbeitete er sich weiter vor bis zur Tür, wobei er die ganze Zeit Halt an den Regalen suchte. Der Weg bis zur Treppe kam ihm unendlich lang vor. Als er sie schließlich erreicht hatte, zog er sich Stufe für Stufe am Geländer nach oben, welches mit einem bedrohlichen Knacken auf die ungewohnte Belastung antwortete.
    Als er im Erdgeschoss angelangt war, hörte er Stimmen aus dem vorderen Teil des Raums. Er steuerte darauf zu, immer mit einer Hand an den Regalen. Am Ende der Regalreihe trat er zögernd in den freien Raum. Im gleichen Augenblick verstummten die Stimmen. Paw saß mit verschränkten Armen im Sessel hinter dem Kassentresen. Katherina hockte auf dem Tresen und baumelte mit den Beinen. Iversen stand mit dem Rücken zu Jon vor der Kasse.
    Dann drehte Iversen sich um und sagte etwas zu Jon. Der besorgte Klang seiner Stimme folgte Jon bis zur Tür, die er mit einem unkontrollierten Ruck aufriss.
    Draußen sog er gierig die kalte Abendluft ein, blieb aber erst stehen, als er einen Laternenpfahl erreichte, an den er sich klammern konnte. Das kalte Metall beruhigte ihn.
    »Jon, kannst du mich hören?«
    Endlich drang Iversens Stimme zu Jon durch, der langsam und wie in Trance nickte.
    »Alles in Ordnung?«
    »Schwindelig«, stammelte Jon.
    »Komm wieder rein. Da kannst du dich hinsetzen«, bat Iversen eindringlich.
    Jon schüttelte energisch den Kopf.
    »Wie wäre es mit einem Schluck Wasser?«, mischte Katherina sich ein und hielt ihm ein Glas hin.
    Widerstrebend löste er eine Hand vom Laternenpfahl und trank das Wasser in einem Zug aus.
    »Danke«, stöhnte er.

    »Ich hole noch etwas«, bot Katherina an, nahm ihm das Glas aus der Hand und verschwand.
    Iversen legte eine Hand auf Jons Schulter.
    »Was ist passiert, Jon?«, erkundigte er sich besorgt.
    Jon holte ein paar Mal tief Luft. Das Wasser und die frische Luft begannen zu wirken, es ging ihm schon entschieden besser.
    »Stress«, antwortete er, den Blick auf den Boden geheftet. »Das ist einfach nur Stress.«
    Iversen musterte ihn eingehend.
    »Als ob das besser wäre«, sagte er ungehalten. »Und jetzt komm mit rein, damit du dich ein bisschen ausruhen kannst.«
    »Nein«, platzte Jon heraus. »Ich meine, nein danke, Iversen.« Er hob den Blick und sah dem alten Mann in die Augen, aus denen gleichzeitig Sorge und Skepsis sprach. »Was ich jetzt brauche, ist mein Bett und eine Nacht Schlaf.«
    Katherina kam mit einem weiteren Glas Wasser nach draußen, das Jon unter den kritischen Blicken der beiden halb leerte. Mit einem Nicken gab er das Glas zurück.
    »Ich habe meine Jacke drinnen liegen lassen«, erklärte Jon und klopfte unterdessen suchend auf seine Hosentaschen.
    »Du willst in deinem Zustand doch nicht etwa Auto fahren?«, fragte Iversen.
    »Mach dir keine Sorgen. Es geht mir schon viel besser«, beruhigte ihn Jon und brachte sogar ein Lächeln zustande. »Aber wenn einer von euch so nett wäre, meine Jacke zu holen?«
    Katherina setzte sich in Bewegung und war kurz darauf mit der Jacke zurück.
    »Es gibt noch eine Menge zu bereden«, sagte Iversen, als Jon sich hinter das Steuer seines Wagens setzte.
    Jon nickte.
    »Ich schaue in ein paar Tagen noch mal vorbei. Ihr habt mir einiges zum Nachdenken gegeben, so viel ist sicher.«

    »Pass auf dich auf, Jon.«
    Jon startete den Wagen und winkte zum Abschied, ehe er losfuhr. Der Schwindel war verflogen, aber er war so müde wie selten zuvor. Aus der Kanzlei war er lange Arbeitstage gewohnt, aber die Erschöpfung, die er

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