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Die Bibliothek der Schatten Roman

Die Bibliothek der Schatten Roman

Titel: Die Bibliothek der Schatten Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikkel Birkegaard
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er mitlesen oder nur sein Desinteresse kaschieren wollte.
    Die Deklaration begann mit einer Menge einleitendem Schnickschnack über den Hintergrund der Leseklassen. Mit dieser Aufwärmübung wollten sie die Bereitschaft ihres Opfers austesten, sich auf das Gelesene zu konzentrieren.
    Katherina spürte, dass Luca den Text nur schwach betonte. Wie ein Maler, der sein Werk mit feinen Pinselstrichen beginnt, die die Leinwand kaum berühren. Das Manuskript war sehr sorgfältig ausgearbeitet worden, und Luca trug es perfekt vor. Seine schwache Akzentuierung reichte aus, das Erlebnis so zu steigern, dass aus der Lesung eine regelrechte Aufführung wurde.
    Um das zu genießen, bedurfte es jedoch eines Minimums an Aufmerksamkeit, eine Ehre, die ihnen der Politiker nicht zuteilwerden lassen wollte.
    Katherina schloss die Augen und spürte, wie er in der Erklärung herumblätterte und aufs Geratewohl einzelne Sätze las, ohne aber wirklich zu verstehen, was dort geschrieben stand. Ein Schwall anderer Gedanken übertönte die Bilder, die der Text und Luca in ihm wachriefen: Bilder von anderen Sitzungen, Familienmitgliedern, Golf, einem Tivolibesuch und einem Essen, das vermutlich an diesem Abend stattfinden sollte.
    Sie atmete tief ein und ließ sich vom Strom der Bilder mitziehen, die aus dem Bewusstsein des Opfers heraufstiegen. Jedes Mal, wenn er ein Wort aus dem Text las, verstärkte sie es ein wenig und ließ den Politiker so eine Winzigkeit länger auf dem Wort verharren, als er beabsichtigt hatte. Schon bald drang der Text tiefer in sein Bewusstsein vor, und er begann, längere, zusammenhängende Passagen zu lesen, die Katherina zu verstärken und festzuhalten versuchte.
    Für einen Empfänger war das eine ziemlich banale Übung. Katherina hatte unzählige Male in Zügen oder Bussen gesessen
und ihre Fähigkeiten eingesetzt, um einen Leser in ihrer Nähe zu veranlassen, sich intensiver mit dem Text zu beschäftigen. Viele Pendler lasen auf ihrem Weg von und zur Arbeit, waren aber oft nicht bei der Sache. Katherina fiel es sofort auf, wenn sie plötzlich im Lesen innehielten und ein paar Seiten zurückblätterten, um einen Abschnitt noch einmal zu lesen. Für sie war ganz klar, was da geschah. Sie konnte fast visuell verfolgen, wie die Bilder des Textes von anderen Gedanken überlagert wurden und in den Sorgen über die Arbeit, die Liebe und die täglichen Einkäufe ertranken. Manchmal mischte sie sich ein. Wenn es eine gute Geschichte war, half sie dem Lesenden, sich auf sein Buch zu konzentrieren, und in manchen Fällen war diese Hilfe so effektiv, dass der Betreffende seine Haltestelle verpasste. Doch wenn der Text schlecht war oder Katherina die Stimmen auf Abstand halten wollte, sabotierte sie das Lesen, bis ihr Gegenüber so unkonzentriert war, dass es aufgab.
    Dank der intensiven Unterstützung von Luca und Katherina fand der Politiker plötzlich Interesse an dem Text und blätterte zu der Stelle, an der Luca sich gerade befand, um die weitere Verlesung der Erklärung zu verfolgen. Katherina sorgte dafür, dass seine Konzentration nicht nachließ - eine recht leichte Aufgabe -, während Luca mit seinen Betonungen das Gleiche zu erreichen versuchte. Katherina öffnete die Augen und sah, wie sich ihr Opfer aufgerichtet hatte und die Papiere, die es in den Händen hielt, mit deutlichem Interesse studierte. Manchmal nickte der Politiker sogar vor sich hin, ohne zu wissen, dass er damit Lucas Anweisungen folgte, der die Akzentuierung des Textes in den wichtigen Passagen nun noch verstärkte.
    Die Beeinflussung der Zuhörer durch einen Sender war nicht zielgerichtet, und sollte es zuvor noch jemand im Raum gegeben haben, der an der Berechtigung von Leseklassen zweifelte, waren diese Zweifel spätestens ausgeräumt, als Luca
das letzte Wort der Erklärung vorgetragen hatte. Katherina lächelte, als der Politiker aufblickte. Er wusste offensichtlich nicht, wie er reagieren sollte. Am liebsten hätte er wohl gar nichts gesagt, doch zu guter Letzt stammelte er ein paar plumpe Höflichkeitsfloskeln und versprach, sich die Sache noch einmal anzuschauen.
    Die Wirkung blieb nicht aus. Wenige Tage später erklärte der Politiker, die Leseklassen seien durchaus berechtigt, so dass weitere Untersuchungen auf Kosten der Steuerzahler nicht angemessen seien.
    Es war aber etwas ganz anderes, einen Wirtschaftspolitiker hinters Licht zu führen, der keine Ahnung von Lettori und Lesungen hatte, als jemand, der einen konkreten Verdacht

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