Die Bibliothek der Schatten Roman
habe ich noch keine Resultate, aber das wird schon kommen. Es ist ein bisschen wie mit Strandgut, es wird immer wieder etwas Neues angespült, auch wenn der Strand am Vortag noch ganz leer war.«
»Wie lange betreibst du deine Suche schon?«, fragte Kortmann überrascht.
Lee zog die Schultern hoch.
»Ein paar Wochen oder so. Hätte ich mir vorher Ihre Erlaubnis einholen müssen?«
»Nein, nein, deswegen frage ich nicht. Es ist nur gut zu wissen.«
»Ich konnte ja nicht ahnen, dass Sie diese … Untersuchung durchführen wollen«, fügte Lee hinzu. »Und ich hatte auch nicht den Eindruck, dass einer der anderen etwas tun wollte. Und da die Gesellschaft keine dringlicheren Aufgaben für mich hatte, hab ich mir erlaubt, ein wenig Initiative zu zeigen.«
Kortmann nickte anerkennend.
»Gute Arbeit, Lee. Ich schlage vor, dass du mit deiner Recherche fortfährst.«
»Das hatte ich auch vor«, erklärte Lee kaum hörbar.
»Halte uns bitte auf dem Laufenden«, bat Kortmann mit Nachdruck und zeigte auf sich und Jon.
»Und was ist mit uns anderen?«, fragte Henning Petersen scharf.
»Ihr werdet natürlich alle umgehend informiert, sobald wir etwas Konkretes wissen. Das Wichtigste ist jetzt erst einmal, nicht in Panik zu verfallen und keine Lynchstimmung aufkommen zu lassen, ohne konkrete Beweise zu haben.«
»In meinen Ohren hört sich das eher so an, als würden Sie uns nicht trauen«, meinte Henning.
»Wir stehen also nach wie vor unter Verdacht?«, hakte Paw nach.
Kortmann machte eine abwehrende Geste.
»Wie ihr selbst gesagt habt, es gibt keine handfesten Beweise. Es ist alles möglich, selbst der schlimmste Fall.« Er sah kurz zu Katherina hinüber. »Dass wir einen Verräter in den eigenen Reihen haben.« Vereinzelte Proteste ertönten, so dass Kortmann seine Stimme heben musste, um sich Gehör zu verschaffen. »Aber das glaube ich nicht. Trotzdem werden wir alle notwendigen Maßnahmen ergreifen. Hier geht es nicht darum, dass jemand schlecht über einen anderen geredet oder Geld aus der Vereinskasse gestohlen hat. Es sind bereits Menschen gestorben - ermordet worden -, vergesst das nicht.«
Das Murmeln verstummte, und einige Sekunden herrschte absolute Stille in dem Raum. Mehrere Anwesende wichen Jons Blick aus, als er in die Runde schaute.
»Ich würde sagen«, schlug Kortmann ruhig vor, »dass wir unser Treffen an dieser Stelle beenden. Sinn und Zweck dieser Veranstaltung sollte es ja sein, euch mit Jon bekannt zu machen und allen die Wichtigkeit dieser Untersuchung vor Augen zu führen. Das ist hoffentlich gelungen. Ich werde Jon eure Namen und Adressen zugänglich machen, damit er euch, falls nötig, persönlich aufsuchen kann. Diese Entscheidung überlasse ich ihm. Wie gesagt, ich erwarte, dass alle mithelfen,
so gut sie können.« Er klatschte in die Hände. »Das war’s für heute, danke.«
Als Jon sich von Kortmann verabschiedete, zog der einen braunen Umschlag aus der Seitentasche des Rollstuhls und reichte ihn ihm.
»Halten Sie mich auf dem Laufenden«, bat Kortmann und zwinkerte ihm zu.
Jon antwortete mit einem Nicken und folgte Katherina nach draußen. Kortmann blieb mit Birthe zurück.
Vor dem Eingang standen Paw, Lee und Henning in ein leises Gespräch vertieft, das sie abrupt beendeten, als Katherina und Jon aus dem Gebäude traten. Paw kam zu ihnen herübergeschlendert.
»Soll ich dich mitnehmen?«, bot Jon an.
»Nein danke«, antwortete Paw. »Ich bin mit dem Rad da. Außerdem will ich Dem Dynamischen Duo nicht im Weg stehen.« Er grinste.
»Neue Freunde?«, fragte Katherina mit einem Nicken in die Richtung, in die Lee verschwunden war.
Paw zuckte mit den Schultern.
»Ich fand Lee schon immer ziemlich cool. Er will mir in den nächsten Tagen mal ein paar Internettricks zeigen.« Paw blickte Lee nach. »Er war, glaube ich, ziemlich sauer auf Kortmann. Die Letzten, die ihm so über den Mund gefahren sind, waren seine Alten. Die Bibliophile Gesellschaft ist echt zu einem Rentnerverein verkommen, in dem Lesungen abgehalten und Bingo gespielt wird. Wir brauchen frisches Blut, da bin ich ganz seiner Meinung.« Sein Blick wanderte wieder zu Jon. »Was sagst du dazu, Jon?«
»Schwer zu sagen, ich bin ja noch nicht mal Mitglied.«
»Für den Sohn von Luca himself dürfte es ja wohl kein Problem sein, Mitglied zu werden. Oder erlaubt Kortmann das nicht? Hast du dich mal gefragt, wieso er dich nicht aktivieren will?«
»Nein, nicht wirklich.«
»Die anderen meinen, er hat Angst, du
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