Die Bibliothek der Schatten Roman
Katherina, »nicht, wenn der Besitzer des Ladens nicht hier ist.«
»Der Besitzer?«, fragte der Sachverständige verblüfft. »Aber der hat mir doch den Auftrag gegeben.«
Nach dem Telefonat mit Jon konnte Katherina den Gutachter überreden, den Laden zu verlassen und in einer halben Stunde wiederzukommen. Er war nicht gerade erbaut darüber. Verärgert versuchte er ihr klarzumachen, dass er noch andere Termine hätte und der Fall ohne sein Urteil nicht abgeschlossen werden könne. Seine Laune wurde auch nicht besser, als er nach 35 Minuten wiederkam und Jon noch immer nicht da war.
»Und jetzt?«, wollte er gerade fragen, als Jon auch schon die Ladentür aufriss und ganz außer Atem eintrat.
Katherina lächelte erleichtert und deutete auf Jon.
»Mogens Verner«, stellte der Sachverständige sich vor und streckte ihm die Hand hin.
Jon schlug ein.
»Jon Campelli. Ich bin der Besitzer des Libri di Luca.«
»Sie sind der Besitzer?«, rief der Sachverständige überrascht und ließ Jons Hand los, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen.
»Ja, stimmt etwas nicht?«
»Ich glaube, da handelt es sich um ein Missverständnis«, sagte Mogens Verner und lächelte unsicher. »Ich bitte vielmals um Entschuldigung.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Jon und deutete auf die Fenster. »Die Brandschäden sind doch wohl kaum misszuverstehen.«
»Darum geht es doch gar nicht«, erklärte der Sachverständige jetzt mit hochrotem Kopf. »Ich bin nicht beauftragt worden,
die Brandschäden zu begutachten. Ich sollte den Wert des Ladens einschließlich der Bücher für einen möglichen Verkauf taxieren.«
»Verkauf?«, platzte Katherina hervor und sah entsetzt zu Jon. Der schüttelte den Kopf.
»So einen Auftrag habe ich nie gegeben.« Er richtete seinen Blick auf den Fremden. »Wer hat Sie beauftragt?«
»Der Interessent und … der Besitzer, dachte ich«, antwortete der Sachverständige, dem die ganze Situation sichtlich peinlich war. »Ihre Namen darf ich leider nicht preisgeben.«
»Finden Sie es nicht ein bisschen merkwürdig, dass sich einer der beiden als Besitzer ausgegeben hat?«
Mogen Verner nickte.
»Doch, ich kann mich nur noch einmal entschuldigen. Ich will Sie deshalb jetzt auch nicht noch länger aufhalten.« Er reichte Jon die Hand. »Es tut mir leid, dass ich Ihre Zeit in Anspruch genommen habe.« Jon gab ihm die Hand, und Katherina tat es ihm nach, bevor der Mann eilig aus dem Laden stürmte.
»Was war das denn? Hast du dafür eine Erklärung?«, wollte Katherina wissen.
»Ich habe da so eine Ahnung«, antwortete Jon. »Erinnerst du dich an den Zeitungsartikel, den ich am Abend des Anschlags dabeihatte? Der Mann auf dem Foto ist ein Mandant von mir. Er hat sich sehr für das Libri di Luca interessiert und mich ausgehorcht, ob ich verkaufen will oder nicht. Er war ziemlich aufdringlich.«
Katherina nickte, ging rasch hinter den Tresen und durchsuchte den Inhalt der Schublade. Im Chaos nach dem Brandanschlag war der Artikel auf den Boden gefallen, sie erinnerte sich aber, ihn beim Aufräumen aufgehoben und in die Schublade gelegt zu haben. Schließlich zog sie ihn triumphierend heraus und studierte das Foto.
Das war ohne Zweifel der Mann, den sie in den Gedanken des Sachverständigen gesehen hatte.
»Das Merkwürdige daran ist ja«, fuhr Jon fort, »dass ich heute, ein paar Stunden vor deinem Anruf, mit diesem Remer telefoniert habe. Ich habe ihm dabei noch einmalklar gemacht, dass ich nicht verkaufen will.«
»Manche Leute kapieren es einfach nicht, wenn man Nein sagt«, sagte Katherina und erzählte ihm vom Bild der beiden Männer im Café, das sie aufgefangen hatte.
»Der andere könnte Remers Buchhändler sein«, meinte Jon. »Den hast du nicht zufällig erkannt?«
Katherina schüttelte den Kopf. Von dem Rothaarigen war etwas Beunruhigendes ausgegangen. Bilder, die sie auf diese Weise empfing, waren oft stark durch die persönlichen Empfindungen der Personen in der jeweiligen Situation geprägt, die sie »abhörte«, und irgendetwas hatte den Sachverständigen während des Treffens im Café nervös gemacht. Sicher war dieser Mann in Wirklichkeit gar nicht so groß und bedrohlich, wie sie es empfunden hatte. Trotzdem, Mogens Verner hatte sich in der Gesellschaft des Mannes unwohl, ja vielleicht sogar bedroht gefühlt, weshalb er in seiner Erinnerung möglicherweise etwas überzogen erschien.
»Glaubst du, es gibt da irgendeine Verbindung zu Luca?«, fragte sie.
»Nein«,
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