Die Bibliothek der Schatten Roman
haben mit Computern zu tun«, erwiderte Muhammed und überflog ein Blatt Papier. »Database, Netzwerk, OOP und andere Programmierungssachen. Daneben ein paar merkwürdige Abstecher in die Hirnforschung, Literatur und antike Bücher.« Er sah Katherina an. »Bringt Sie das weiter?«
»Möglicherweise«, meinte Katherina und zog die Schultern hoch.
»In den letztgenannten drei Foren war er nicht sonderlich aktiv. Da scheint er mehr an den Beiträgen interessiert gewesen zu sein, die die anderen geschrieben haben, als daran, selbst an der Debatte teilzunehmen.« Er wedelte mit den Blättern herum. »Ich gebe Ihnen die Liste mit, dann können Sie schauen, ob Sie noch mehr herauskriegen.«
»Okay«, sagte Jon. »Und gibt es sonst noch was Erwähnenswertes?«
»Ich habe mir noch angesehen, welche Internetseiten er in letzter Zeit besucht hat«, antwortete Muhammed. »Da ist derselbe Trend zu erkennen wie bei den Foren. Er hat viele Seiten mit computerbezogenen Themen besucht, diverse Bibliotheken und Literaturseiten, etliche Pornoseiten und ein paar Reiseveranstalter.«
»Reiseveranstalter?«, wiederholte Katherina.
»Ja, er hat sich über Reisen in den Irak und nach Ägypten erkundigt, aber nichts gebucht.« Er stand auf und reichte ihnen den Papierstapel. »Aber das steht alles hier drin.«
Jon nahm den Stapel und blätterte ihn durch.
»Das ist also Ihr Mann«, fasste Muhammed zusammen. »Ein leicht pathetischer, eigenbrötlerischer Nerd-Wannabe ohne größeren Freundeskreis oder soziale Kontakte. Vermutlich Mitte 20, mit einer unbefristeten, aber nicht sonderlich anspruchsvollen Stelle in der IT-Branche. Es gibt einige interessante Abweichungen vom Profil, die auf eine romantische Faszination für Literatur und exotische Reiseziele schließen lassen.«
»Beeindruckend«, sagte Katherina.
Muhammed zuckte mit den Schultern.
»Kennen Sie das Sprichwort: Zeig mir deinen Mülleimer, und ich sage dir, wer du bist? Das Gleiche lässt sich über einen Computer sagen - aber im Grunde genommen ist es viel simpler. Die Art und Weise, wie wir uns durchs Internet bewegen, sagt eine Menge über uns aus, und die Spuren lassen sich
leicht verfolgen, wenn man weiß, wo man anfangen muss.« Er stützte sich mit verschränkten Armen und einem zufriedenen Lächeln auf dem Schreibtisch ab.
»Es gäbe noch etwas, wobei Sie mir helfen könnten«, bat Jon, ohne den Blick von den Unterlagen zu nehmen. »Wir suchen nach einem Mann namens Tom Nørreskov. Könnten Sie uns seine Adresse besorgen?«
»Wenn Sie mir den Namen buchstabieren«, grinste Muhammed.
Während Muhammed sich zwischen seinen Bildschirmen an die Arbeit machte, ging Jon die Ausdrucke aus Lees Computer durch. Katherina saß neben ihm auf dem Sofa und sah sich im Zimmer um, während er las. Er spürte, dass sie auf Empfang geschaltet hatte, was ihn aber nicht beunruhigte. Im Gegenteil, es gab ihm ein Gefühl von Sicherheit, dass sie das, was er womöglich übersah, sammelte und zugleich mitbekam, was er für besonders relevant hielt. Ein paar Mal streifte ihn der Gedanke, dass sie möglicherweise mehr aufschnappte, als ihm lieb war, aber selbst das machte ihm nicht wirklich etwas aus.
Zwischendurch tauchte Muhammeds Kopf zwischen den Bildschirmen auf, um sich nach Toms Alter, seiner Arbeit, Ausbildung und seinem Aufenthaltsort zu erkundigen. Sie gaben ihm Auskunft, so gut sie konnten.
»Bingo«, rief Muhammed nach einer halben Stunde, in der von ihm nichts als das Klappern der Tastatur und unverständliche Ausrufe zu hören gewesen waren. »Was wollen Sie wissen?«
Katherina und Jon standen auf und traten vor den Schreibtisch, hinter dem Muhammed zurückgelehnt saß und zufrieden seine drei Bildschirme betrachtete.
»Zuerst, wo er wohnt«, schlug Jon vor.
»Vordingborg«, sagte Muhammed. »Auf einem Hof außerhalb der Ortschaft, soweit ich das auf der Karte erkennen
kann. Wie Sie richtig vermutet haben, hat er vor 20 Jahren in Kopenhagen gelebt, genauer gesagt in Valby, ist aber vor 15 Jahren nach einer Scheidung nach Südsjælland gezogen.«
»Scheidung?«, wiederholte Katherina.
»Ja, vor 16 Jahren. Und da ist etwas merkwürdig«, verkündete Muhammed und machte eine dramatische Pause. »Zum einen verzichtet er auf das Sorgerecht für die Kinder, zum anderen nimmt er einen anderen Nachnamen an: Klausen. Darum hat es auch so lange gedauert, bis ich ihn gefunden habe. Erst danach zieht er nach Vordingborg, wo er seitdem wohnt, laut Einwohnerregister
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