Die Bibliothek der Schatten Roman
alleine.«
»Ist er Bauer?«, erkundigte sich Jon.
»Das glaube ich nicht«, erklärte Muhammed. »Er hat mehrere Anfragen wegen der Verpachtung von Land an die Gemeinde gestellt. Ich schätze mal, dass er von diesen Erträgen lebt. Außerdem ist beim lokalen Käseblatt ein T. Klausen als freier Buchrezensent tätig.«
Jon nickte.
»Das muss er sein.«
Katherina stimmte ihm zu.
»Sonst noch was?«, fragte sie.
Muhammed zog die Schultern hoch.
»Er hat keinen Telefon- oder Fernsehanschluss … Was zum Teufel macht man in so einem Kuhkaff ohne Telefon, Fernseher oder Frau?«
»Bücher lesen?«, schlug Jon vor.
»Ha«, platzte Muhammed heraus. »Was anderes bleibt einem da wohl nicht mehr übrig.« Er sah Jon an. »Schon wieder Bücher, was?«
Jon antwortete nicht.
»Kann jemand nachverfolgen, dass Sie nach ihm gesucht haben?«
»Wenn er meinen Computer klaut, vielleicht«, antwortete Muhammed. »Oder wenn just in diesem Moment in der Gemeinde
Vordingborg jemand genau diese Art von Suchvorgängen überwacht und außerdem einen guten Draht zu meinem Provider hat.« Er breitete die Arme aus. »Ich weiß ja nicht, was Sie da am Laufen haben, und ich will es auch gar nicht wissen, aber es würde mich schon sehr wundern, wenn für einen Bücherwurm so ein Aufwand betrieben würde.«
»Mir ist nur wichtig, dass Sie möglichst alle Spuren löschen«, bat Jon.
»No sweat«, beruhigte ihn Muhammed. »Sie kennen mich. Ich bin die Vorsicht in Person.« Er nickte Richtung Zimmerdecke. »Trotzdem sichere ich mich ab.«
Sie drehten sich um. Unter der Decke, direkt über der Tür, die in den Garten führte, hing eine Kamera in Größe einer Streichholzschachtel.
Jon lächelte.
»Wollen Sie ab jetzt Schadensersatzklagen zu Ihrem Lebensinhalt machen? Ist das nicht etwas riskant?«
»Ich muss auf mich selber aufpassen, wenn die Polizei es nicht tut«, erklärte Muhammed mit einem Hauch von Bitterkeit in der Stimme. »Dass ich das im Rodney-King-Stil machen muss, ist schon hart.«
»Wie Sie meinen«, erwiderte Jon. »Aber seien Sie doch so nett und löschen Sie die letzten Stunden von Ihrem Band.«
»Band?« Muhammed lachte herzlich. »Sie sind ein echter Dinosaurier, Jon.«
Jon hob abwehrend die Hände.
»Ja, ja. Hauptsache, Sie löschen es, okay? Wir müssen weiter.«
Muhammed gab ihnen die Hand.
»Danke für die Hilfe«, sagte Katherina.
»No pro«, sagte Muhammed und schloss hinter ihnen ab.
Jon war zufrieden mit dem Besuch. Zum ersten Mal seit Beginn der Untersuchung hatte er das Gefühl, einen Schritt vorangekommen
zu sein. Er war sicher, dass Tom Nørreskov irgendeine Rolle in dem Ganzen spielte. Dank Muhammed war es ihnen gelungen, ihn aufzuspüren, trotz Nørreskovs Bemühungen, sich zu verstecken.
Aber Jon befürchtete fast, der Durchbruch könne nur von kurzer Dauer sein. Sie mussten der Spur folgen, solange sie noch frisch war, was einen Ausflug nach Südsjælland bedeutete. Sie verabredeten, dass Jon Katherina am nächsten Morgen um zehn Uhr im Libri di Luca abholte. Sie waren sich beide einig, dass sie alleine fahren wollten. Paw würde ihnen keine große Hilfe sein, im Gegenteil. Seine polternde Art konnte die ganze Mühe zunichtemachen. Und ganz abgesehen davon musste sich ja auch jemand um den Laden kümmern.
Der Ausflug bedeutete jedoch, dass Jon sich noch einen weiteren Tag von der Arbeit beurlauben lassen musste. Es war sicher nicht der günstigste Zeitpunkt, die Karriere zu vernachlässigen, doch je eher er die Angelegenheit vom Tisch hatte, desto schneller konnte er sich wieder hundertprozentig auf seinen Fall konzentrieren.
Jenny klang besorgt, als er sie am nächsten Morgen anrief und ihr mitteilte, dass er auch heute nicht ins Büro kommen würde.
»Sie sind doch nicht etwa krank, oder?«, erkundigte sich die Sekretärin.
»Nein, nein«, versicherte ihr Jon. »Ich muss nur dringend etwas erledigen.«
»Was soll ich den anderen sagen?«
»Sagen Sie ihnen, es ginge um eine persönliche Angelegenheit. Etwas, das mit dem Tod meines Vaters zu tun hat.«
»Gut«, sagte Jenny unsicher. »Es ist nur…«
»Ja?«
»Die anderen sind nicht sehr erbaut darüber, dass Sie so lange weg sind«, flüsterte sie. »Ich habe gehört, dass man Ihnen den Remer-Fall wieder entziehen will.«
»Ach was«, beruhigte Jon. »Solange Remer nicht auf meine Anfragen antwortet, kann ich eh nichts unternehmen. Halbech kennt ihn. Er weiß, wie schwierig Remer sein kann.«
»Mag sein«, antwortete sie
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