Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bibliothek der Schatten Roman

Die Bibliothek der Schatten Roman

Titel: Die Bibliothek der Schatten Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikkel Birkegaard
Vom Netzwerk:
Katherina und legte einen Finger an die Lippen. »Das erste Schild.«
    Jon stellte fest, dass er die Luft anhielt. Obgleich er nichts hören konnte, spürte er die Anspannung der anderen. Katherina hatte ebenfalls ihre Augen geschlossen und hob langsam die Hand, um Jon zu bedeuten, dass er sitzen bleiben sollte. Er rührte sich nicht.
    »Sie sind weg«, stellte Tom nach mehr als einer Minute fest.
Katherina und er schlugen gleichzeitig die Augen auf, und sie nickte zustimmend.
    »Sie?«, fragte Jon.
    »Es waren mindestens zwei, die das Schild gelesen haben«, erklärte Katherina. »Danach war es still.«
    »Das passiert häufig«, beruhigte Tom. »Leute, die sich verfahren haben oder eine Abkürzung suchen. Die meisten drehen um, wenn sie das erste Schild sehen.« Er setzte sich wieder, und Katherina folgte seinem Beispiel.
    »Ich kenne nicht viele, die über so eine Entfernung empfangen können«, bemerkte Tom und nickte Katherina anerkennend zu. »Luca hat mir von Ihren Fähigkeiten erzählt.«
    »Das war sein Verdienst«, sagte Katherina.
    »Da haben wir etwas gemeinsam«, meinte Tom lächelnd. »Ich war auch sein Schüler, genau wie Sie. Aber wir haben alle ein natürliches Potenzial, eine Grenze, die nicht überschritten werden kann, egal wie intensiv wir trainieren. Für die meisten liegt die Grenze weit unter dem, was Sie gerade gezeigt haben.«
    »Können wir wieder zum Thema zurückkommen?«, mischte Jon sich ungeduldig ein.
    »Ja, selbstverständlich«, sagte Tom, verstummte aber gleich darauf.
    »Sie sagten, dass nach Ihrem Ausschluss etwas geschah?«, sagte Katherina.
    Tom nickte ernst.
    »Es passierten mehrere Dinge. Einerseits nahmen die Vorfälle zu. Jetzt war es so offensichtlich, dass auch die anderen Mitglieder der Bibliophilen Gesellschaft merkten, dass etwas nicht stimmte. Aber statt sich außerhalb der Gesellschaft umzusehen, richteten sie ihr Augenmerk auf die eigenen Reihen. Es hagelte Beschuldigungen, und das Misstrauen zwischen den beiden Flügeln, zwischen Sendern und Empfängern, wuchs.« Er suchte Jons Blick und hielt ihn fest. »Luca
versuchte, beide Flügel zusammenzuhalten, und eine ganze Weile gelang ihm das auch, trotz der Fraktionen auf beiden Seiten, die eine Spaltung der Gesellschaft anstrebten.«
    »Kortmann?«, fragte Jon.
    »Er war der Sprecher der Sender, ja«, bestätigte Tom. »Kortmann war ein ambitionierter Mann, aber solange Luca am Ruder war, blieb die Bibliophile Gesellschaft geeint, wenn auch nicht ohne Probleme.« Tom verstummte und sah wieder auf seine Hände.
    »Und dann?«, drängte Jon.
    »Dann … wurde Ihre Mutter ermordet«, fuhr Tom leise fort.
    Jon hatte unterschwellig geahnt, dass es irgendwann kommen würde. Seit Lees offenbar provoziertem Selbstmord beschäftigte er sich unbewusst mit diesem Thema. Es war ihm gelungen, die konkreten Gedanken zu verdrängen, doch umso stärker traf ihn jetzt Toms nüchterne Feststellung, auch seine Mutter sei auf diese Art und Weise ums Leben gekommen. Er schnappte nach Luft, senkte den Kopf und konzentrierte sich auf seine Atmung. Neben ihm wechselte Katherina die Stellung, und gleich darauf fühlte er ihre Hand auf seiner Schulter. Er nickte als Zeichen, dass mit ihm alles in Ordnung war.
    »Luca war am Boden zerstört, wie jeder verstehen kann«, nahm Tom den Faden wieder auf. »Er machte sich Vorwürfe, als hätte er sie eigenhändig aus der fünften Etage gestoßen. Natürlich war er sich im Klaren darüber, dass ihn im physischen Sinne keine Schuld traf, aber er war überzeugt davon, dass unsere Nachforschungen um die Schattenorganisation den Mord provoziert hatten. Dieses Wissen nützte ihm allerdings nicht sehr viel. Er hatte keine Kraft, etwas zu unternehmen. Stattdessen zog er sich komplett zurück, trat aus der Gesellschaft aus und verabschiedete sich von seinem Sohn und dem Leben außerhalb der vier Wände des Libri di Luca. Der Laden wurde zum Zufluchtsort seiner wachen Stunden.«

    »Ja, danke«, kommentierte Jon trocken. »An den Teil erinnere ich mich nur zu gut.«
    »Er hat Sie in eine Pflegefamilie gegeben, um Sie zu schützen«, sagte Tom eindringlich. »Weil er begriffen hatte, dass sie nicht ihm nach dem Leben trachteten, sondern denen, die er am meisten liebte. Das waren Marianne und Sie. Nachdem er Ihre Mutter verloren hatte, wollte er alles dafür tun, die Familie zu beschützen, die ihm noch geblieben war, auch wenn das bedeutete, Sie nie wiederzusehen.«
    Jons Übelkeit wurde stärker. Er hörte,

Weitere Kostenlose Bücher