Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
nicht absichtlich getan«, sagte er sanft. »Aber wenn jemand fragt, so und nich’ anders war’s.«
Dann ging er zurück zum Haus. Er war erst ein kleines Stück weg, da drehte er sich noch einmal um. »Und steck keine Nägel mehr in meine Pfirsiche.«
Es war nach 18.00 Uhr, als ich den Pfirsichstand verließ und zum Haus zurück ging - ich hatte nichts verkauft, nicht einen einzigen Pfirsich -, wo ich Rosaleen im Wohnzimmer vorfand. Um diese Zeit war sie normalerweise längst bei sich zu Hause, aber stattdessen kämpfte sie am Fernseher mit der Antenne, die mich immer an die Ohren von meinem Kaninchen erinnerte, gegen den Schnee auf dem Bildschirm. Präsident Johnson erschien und verschwand gleich wieder irgendwo im Schneegestöber. Ich hatte noch niemals erlebt, dass sich Rosaleen für ein Fernsehprogramm so sehr interessierte, dass sie dafür körperliche Energie aufbringen würde.
»Was ist passiert?«, fragte ich. »Haben sie die Atombombe abgeworfen?«
Seitdem wir an der Schule mit den Übungen für den Ernstfall begonnen hatten, glaubte ich, meine Tage seien gezählt. Alle bauten in ihren Gärten Schutzhütten gegen radioaktiven Niederschlag, legten Wasservorräte an, bereiteten sich auf das Ende aller Zeiten vor. Dreizehn Schüler aus meiner Klasse bauten in ihrem Wissenschaftskurs Modelle für Schutzbunker, was zeigt, dass nicht nur ich mir Sorgen machte. Wir waren von Herrn Chruschtschow und seinen Raketen geradezu besessen.
»Nein, die Bombe ist nich’ losgegangen«, sagte sie. »Komm hier rüber und guck mal, ob du die Glotze hinkriegst.« Sie hatte ihre Fäuste so tief in die Hüften gestemmt, dass sie darin zu verschwinden schienen.
Ich wickelte Aluminiumfolie um die Antenne. Immerhin konnten wir jetzt einigermaßen deutlich sehen, wie Präsident Johnson an einem Schreibtisch Platz nahm, um den herum lauter Leute standen. Ich mochte den Präsidenten nicht besonders, weil er seine Beagles immer an den Ohren festhielt. Aber ich bewunderte seine Frau, Lady Bird, die mir immer vorkam, als ob sie am liebsten ihre Flügel ausbreiten und davonfliegen wollte.
Rosaleen schob den Schemel vor den Fernseher und setzte sich hin. Der Hocker verschwand völlig unter ihr. Sie beugte sich vor, hielt einen Rockzipfel in den Händen und spielte damit herum.
»Was ist denn los?«, fragte ich, aber sie war derart gefesselt von dem, was da vor sich ging, dass sie mir nicht antwortete. Im Fernsehen unterzeichnete der Präsident ein Papier, wofür er ungefähr zehn Füller brauchte.
»Rosaleen...«
»Pst«, machte sie und wedelte mit der Hand, ich solle ruhig sein.
Ich musste es also vom Nachrichtensprecher hören: »Heute, am 2. Juli 1964«, sagte er, »hat der Präsident der Vereinigten Staaten im Ostzimmer des Weißen Hauses das Bürgerrechtsgesetz in Kraft gesetzt...«
Ich sah hinüber zu Rosaleen, wie sie da saß und den Kopf schüttelte. »Allmächtiger«, stammelte sie und sah dabei so fassungslos und glücklich aus wie die Leute im Fernsehen, wenn sie die 64 000-Dollar-Frage beantworten können.
Ich wusste nicht, ob ich mich mit ihr freuen oder mir Sorgen machen sollte. Wenn wir aus der Kirche kamen, ging es immer nur um ein Thema, nämlich um die Neger und ob sie ihre Bürgerrechte bekommen würden. Wer würde gewinnen - das Team der Weißen oder der Farbigen? Als wäre es ein todernster Wettkampf. Als dann dieser Geistliche aus Alabama, Reverend Martin Luther King, letzten Monat in Florida verhaftet worden war, weil er in einem Restaurant essen wollte, benahmen sich die Männer in der Kirche, als ob das Team der Weißen das Finale beim Baseball gewonnen hätte. Mir war klar, von dieser Nachricht würden sie sich nicht in die Knie zwingen lassen, im Leben nicht.
»Halleluja, Jesus«, sagte Rosaleen auf ihrem Schemel.
Rosaleen hatte das Abendessen auf dem Herd stehen lassen, es gab ihr berühmtes Huhn in Soße. Ich fixierte T. Rays Teller und überlegte dabei, wie ich das heikle Thema meines Geburtstags anschneiden könnte, ein Thema, dem T. Ray noch nie in meinem Leben Beachtung geschenkt hatte, und trotzdem hatte ich Trottel jedes Jahr die Hoffnung, in diesem Jahr wäre es anders.
Mein Geburtstag fiel auf den Nationalfeiertag, und das machte es noch schwieriger, Beachtung zu finden. Als ich klein war, hatte ich geglaubt, die Raketen und Knaller würden meinetwegen abgefeuert - Hurra! Lily hat Geburtstag! Doch die Illusion verflog, wie so viele.
Ich hatte vor, T. Ray zu sagen, dass sich
Weitere Kostenlose Bücher