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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
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mit meiner Mutter«, sagte ich und hörte mich selber sprechen. Mir wurde schlecht bei diesen Worten. »Sie hat mich verlassen. Es war genau, wie er gesagt hat. Sie hat mich verlassen.« Eine Sekunde lang spürte ich wieder die Wut, die in der Nacht zuvor in mir aufgeflammt war, und es ging mir durch den Kopf, die Muschel in die Wanne zu schmeißen, aber ich atmete tief durch. Wurfanfälle waren im Grunde nicht sehr befriedigend, das hatte ich schon festgestellt.
    Rosaleen verlagerte ihr Gewicht, der Toilettendeckel quietschte, und der Sitz glitt hin und her. Ich sah weg, auf das Rohr unter dem Waschbecken, auf einen rostigen Flecken auf dem Linoleum.
    »Deine Mutter is’ also abgehaun«, sagte sie. »Gott, hatte ich eine Angst, dass es so war.«
    Ich hob den Kopf. Ich erinnerte mich an die erste Nacht, nachdem wir weggelaufen waren, unten im Flussbett, als ich Rosaleen gesagt hatte, was mir T. Ray erzählt hatte. Wie ich gewollt hatte, dass sie über die Vorstellung lachte, meine Mutter könnte mich verlassen. Aber sie hatte gezögert.
    »Du hast es gewusst, oder?«, sagte ich.
    »Ich war nich’ sicher«, sagte sie. »Ich hatte nur so was gehört.«
    »Was genau?«
    Sie stieß einen Seufzer aus, es war mehr als ein Seufzen. »Als deine Mama gestorben ist«, sagte sie, »hab ich gehört, wie T. Ray am Telefon mit dieser Nachbarsfrau gesprochen hat, dieser Mrs. Watson. Er hat gesagt, er braucht sie nich’ mehr, um auf dich aufzupassen, dass er eine von den Pflückerinnen aus der Plantage geholt hat. Es ging um mich, also hab ich gelauscht.« Draußen vor dem Fenster flog eine Krähe vorbei und füllte das Badezimmer mit einem irren Krächzen, und Rosaleen hielt inne und wartete, bis Ruhe eingekehrt war.
    Ich kannte Mrs. Watson von der Kirche und von all den Malen, die sie angehalten und bei mir Pfirsiche gekauft hatte. Sie war immer sehr nett zu mir gewesen, aber sie hatte mich immer so eigenartig angesehen, als ob etwas unglaublich Trauriges auf meiner Stirn geschrieben stünde und als ob sie rüber kommen und es abwischen wollte.
    Ich klammerte mich am Wannenrand fest, als Rosaleen fortfuhr - ich war nicht sicher, ob ich noch mehr wissen wollte. »Ich hab gehört, wie dein Vater zu Mrs. Watson sagte: ›Janie, du hast schon mehr getan, als ich von dir verlangen kann, als du in all den Monaten nach Lily gesehen hast. Ich weiß nicht, was ich ohne dich getan hätte.‹« Rosaleen sah mich an und schüttelte den Kopf. »Ich hab mich immer gefragt, was er damit gemeint hat. Als du mir dann das von T. Ray erzählt hast, dass deine Mutter dich verlassen hat, da hab ich’s dann kapiert.«
    »Ich kann nicht glauben, dass du mir das nie erzählt hast«, sagte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Wie hast du’s denn rausgefunden?«, fragte Rosaleen.
    »Augusta hat es mir erzählt«, sagte ich. Ich dachte an all die Tränen, die ich in ihrem Schlafzimmer vergossen hatte. Wie ich in meinen Fäusten den Zipfel ihres Kleides gehalten hatte. Das Monogramm auf ihrem Taschentuch, das leicht auf meiner Wange gekratzt hatte.
    »Augusta?«, wiederholte Rosaleen. Es kam nicht oft vor, dass Rosaleen sprachlos war, aber jetzt war es so weit.
    »Sie kannte meine Mutter als Kind, als sie damals in Virginia lebte«, erklärte ich ihr. »Augusta hat sie mit großgezogen.«
    Ich wartete ein paar Sekunden, damit es sacken konnte.
    »Meine Mutter ist hierher gekommen, als sie wegging. Als... Mrs. Watson dann nach mir gesehen hat«, sagte ich. »Sie ist hierher gekommen, hier in dieses Haus.«
    Rosaleens Augen wurden immer schmaler. »Deine Mutter...«, sagte sie und brach ab. Ich sah, dass sie Mühe hatte, das alles in ihrem Kopf zusammenzufügen. Meine Mutter läuft weg. Mrs. Watson sieht nach mir. Meine Mutter kommt zurück und wird getötet.
    »Meine Mutter hat hier ein paar Monate gelebt, ehe sie nach Sylvan zurück ging«, sagte ich. »Ich schätze mal, eines Tages ist ihr aufgegangen: Hoppla, richtig, ich hab ja eine kleine Tochter, die noch zu Hause ist. Vielleicht geh ich dann mal eben und hole sie. «
    Ich hörte den bitteren Klang in meiner Stimme, und mir wurde klar, dass ich diesen Ton jetzt für immer in meiner Stimme bewahren könnte. Von jetzt an könnte ich jedes Mal, wenn ich an meine Mutter dachte, ganz leicht an einen kalten Ort schlüpfen, an dem die Gemeinheit das Sagen hatte. Ich schloss meine Hand fest um die Muschel und spürte, wie sie sich in meine Hautpolster grub.
    Rosaleen stand auf. Ich sah sie an,

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