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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
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verwirrt vor lauter Sehnsucht vorgestellt hatte, es wäre meine Mutter dort draußen in den Bäumen, die mir von ihrer unerschöpflichen Liebe sang. Einmal war ich sogar in T. Rays Schlafzimmer gestürzt und hatte gerufen, sie wäre da draußen, da vor meinem Fenster. Er hatte dazu bloß vier Worte gesagt: »So ein verdammter Schwachsinn.«
    Ich hasste es, wenn er Recht hatte. Natürlich war dort nur der Wind und keine Stimme gewesen. Keine Mutter, die für mich gesungen hatte. Und schon gar keine unerschöpfliche Liebe.
    Das Entsetzliche, das wirklich Entsetzliche war die Wut in mir. Sie war in dem Moment aufgestiegen, als, vorhin auf der Veranda, meine eigene Geschichte von meiner Mutter in sich zusammengestürzt war. Ich wollte nicht wütend sein. Ich befahl mir selber: Du bist nicht wütend. Du hast kein Recht, wütend zu sein. Was du deiner Mutter angetan hast, ist viel, viel schlimmer als das, was sie getan hat. Aber man kann sich aus Wut nicht herausreden. Entweder man ist wütend oder nicht.
    Der Raum war heiß und ruhig. Noch eine Minute, und ich würde vor lauter Wut nicht mehr atmen können, sie breitete sich immer mehr in mir aus. Meine Lungen konnten sich nur noch so weit ausdehnen, bis sie an die Wut stießen, dann zogen sie sich wieder zusammen.
    Ich stand auf und schritt durch die Dunkelheit. Hinter mir auf dem Arbeitstisch wartete ein halbes Dutzend Gläser mit Honig der Schwarzen Madonna darauf, dass Zach sie irgendwo in der Stadt auslieferte - vielleicht bei Clayton, beim Frogmore Stew Laden, dem Wohltätigkeitsladen oder aber bei Manna Kosmetik, dem Schönheitssalon für die Farbigen.
    Wie konnte sie nur? Wie hatte sie mich verlassen können? Ich war doch ihr Kind!
    Ich sah zum Fenster, ich hätte die Scheiben zerschlagen können. Ich wollte irgendetwas rauf bis zum Himmel schleudern und Gott damit von seinem Thron runterhauen. Ich nahm eines der Honiggläser und schmiss es mit aller Kraft von mir weg. Ich verpasste den Kopf der Maria nur um wenige Zentimeter und traf die Wand. Ich nahm ein anderes Glas. Es krachte auf den Boden, neben einen Stapel Zargen. Ich zerschmiss jedes einzelne Glas, bis überall Honig herumgespritzt war, so wie Kuchenteig, der von einem elektrischen Mixer in der Gegend herumgeschleudert worden ist. Ich stand in einem Raum, dessen Wände und Boden vollkommen klebrig waren, inmitten von Glasscherben und Splittern, und es war mir egal. Meine Mutter hatte mich verlassen. Was kümmerten mich da ein paar verschmierte Wände?
    Als Nächstes griff ich einen Blecheimer und warf ihn laut stöhnend und mit so viel Wut gegen die Wand, dass er eine Delle bekam. Mir tat der Arm zwar schon weh vom Werfen, aber ich nahm noch ein Tablett mit Kerzenformen und schmiss auch das durch die Gegend.
    Dann stand ich ruhig da und sah zu, wie Honig langsam die Wände hinunter auf den Boden lief. Und wie ein Rinnsal hellen Blutes meinen linken Arm hinunterlief. Ich hatte keine Ahnung, wie das passiert war. Mein Herz schlug wie wild. Ich hatte völlig die Beherrschung verloren, mir war, als wäre ein anderer in meine Haut geschlüpft.
    Der Raum drehte sich wie ein Karussell, und mein Magen drehte sich mit. Mir war, als müsste ich mit beiden Händen die Wand berühren, damit es endlich anhalten würde. Ich ging zurück zu dem Tisch, auf dem die Honiggläser gestanden hatten, und stützte mich mit den Händen darauf. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich spürte eine gewaltige Traurigkeit. Nicht wegen dem, was ich gerade getan hatte, so schlimm das auch war, sondern weil mit einem Mal alles völlig entleert schien - die Gefühle, die ich für sie gehabt hatte, die Dinge, die ich geglaubt hatte, all die Geschichten, von denen ich gelebt hatte, als ob sie meine Nahrung, Wasser und die Luft zum Atmen gewesen wären. Weil ich das kleine Mädchen war, das sie zurückgelassen hatte. Denn letzten Endes war es so.
    Als ich mich umschaute und sah, was für eine Zerstörung ich angerichtet hatte, fragte ich mich, ob wohl jemand im rosa Haus gehört hatte, wie die Honiggläser an die Wand geknallt waren. Ich ging ans Fenster und starrte durch die Dunkelheit im Garten. Hinter den Fensterscheiben von Augustas Zimmer war es dunkel. Ich spürte mein Herz in meiner Brust. Es tat so weh. Als ob jemand darauf herumgetrampelt wäre.
    »Warum hast du mich verlassen?«, flüsterte ich und sah, wie mein Atem auf dem Glas einen feuchten Kreis bildete.
    Ich blieb eine Zeit lang mit dem Gesicht an das Fenster gedrückt,

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